Führe mich nicht in Versuchung
gebrauchen?«
Max öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder, während ihn eine vertraute Kälte durchfuhr. Eine durchdringende Kälte, die ihn betäubte und lähmte. Ein Bild des Zimmers, das er Jillian überlassen hatte, schoss ihm durch den Kopf - eine kleine, düstere Kammer, über die er sich wenig Gedanken gemacht hatte.
Es wäre wohl besser gewesen, auf Burleigh zu hören und in die herrschaftliche Suite umzuziehen, aber er hatte sich damals nicht überwinden können, seine Räumlichkeiten im Haus gegen die seines Vaters zu tauschen. Er hatte Jillian nicht das Zimmer geben wollen, in dem seine Mutter gestorben war.
Aber er würde sich vor Damien nicht rechtfertigen, würde seinen absurden Aberglauben nicht offenlegen.
»Weißt du keine Antwort darauf, Max?« fragte Damien und unterbrach damit Maxens Gedanken.
»Wo ist sie, Damien?«
»Sie steht unter meinem Schutz«, erwiderte Damien entschieden. »Die Scheidung wird bald in die Wege geleitet werden. Wage es ja nicht, jemals wieder in ihre Nähe zu kommen.« Er knallte die Tür so heftig zu, dass das Geräusch in Maxens Ohren widerhallte und ein Windstoß entstand, der sein Haar durcheinanderbrachte.
Er starrte auf die Tür. Die Kälte in seinem Inneren ließ ihn erzittern. Scheidung. Er schüttelte den Kopf und ging mit steifen Schritten die Stufen hinunter. Er weigerte sich zu glauben, dass Jillian sich von ihm scheiden lassen würde. Es sah ihr nicht ähnlich, aufzugeben - sie, die ihn mit ihrer Hartnäckigkeit überwältigte, mit ihrer Geduld beeindruckte und mit ihrem Glauben an ihn beschämte.
Er drehte sich um und blickte suchend an den Fenstern des Hauses entlang. Ob Jillian wohl hinter einem von ihnen stand?
Das Hausmädchen auf dem Balkon hatte aufgehört, die Pflanzen zu gießen. Nur die Kanne stand noch verlassen da. Die Gärtner hatten ihre Neckereien unterbrochen und warfen ihm misstrauische Blicke zu, während sie auf die Ställe zuschritten. Offenbar hatte sich die Familie ebenso wie die Dienstleute um Jillian versammelt und würde ihn wahrscheinlich mit Haken und Schaufeln attackieren, wenn er sich in ihre Nähe wagte. Er dachte an sein eigenes Hauspersonal, das auf Zehenspitzen um ihn herumschlich, sich beeilte, seinen Wünschen nachzukommen und dann seiner Gegenwart zu entfliehen, bevor er sie mit einem Blick erstarren ließ oder mit einem Wort vernichtete. Es war ganz so wie zu den Zeiten, als sein Vater noch lebte.
Sein Vater ... Er war ebenso leblos und gefühllos wie der Mann geworden, der sich über dreißig Jahre lang eine Mätresse gehalten hatte, ihre Liebe genommen und ihr dafür nichts von sich selbst gegeben hatte. Der zudem noch ihre Kinder an einen anderen Mann verkaufte, um seinen Namen nicht zu beschmutzen.
Es war eine Tradition unter den Herzögen von Bassett, abseits zu stehen und aus Höhen, die den einfachen Sterblichen verwehrt waren, auf andere hinabzusehen. Und Max war dazu erzogen worden, Traditionen zu ehren. Bei dem Tempo, das er vorlegte, würde es nicht lange dauern, bis er ebenso unberührbar war, wie die Sammlung der Relikte, die Jillian in den Keller verbannt hatte.
Jillian hatte ihn davor bewahren wollen, von Tradition und Stolz lebendig begraben zu werden. Sie hatte den Wunsch in ihm geweckt, sich selbst zu retten.
Er starrte weiterhin am Haus hinauf und fragte sich, wie er sich wohl Zutritt verschaffen könnte. Er überlegte gerade, ob er Steinchen an ihr Fenster werfen sollte wie ein verliebter Narr, als er LadyLou an einem Fenster im ersten Stock erblickte.
»Bitte«, stieß er mit zitternder Stimme hervor. »Wo ist sie?«
LadyLou lächelte und beugte sich aus dem Fenster. »In der Laube«, erwiderte sie leise.
Der Laube. An dem Ort, an dem sein Leben sich unwiderruflich mit Jillians verflochten hatte ... welch passender Ort, um einzugestehen, dass sein Leben ohne Jillian keinen Wert hatte.
Mit schnellen Schritten eilte er um das Haus herum und lief den Weg entlang, den er schon hunderte Male zurückgelegt hatte. Aber das Bild des kleinen Mädchens seiner Erinnerung war verschwommen. Statt dessen war die Frau in seinem Kopf lebendig, zu der sie geworden war, die das Leben klarer sah, als er es jemals getan hatte, die danach griff, es in ihre Hände nahm und ihm anbot, es mit ihr zu teilen.
Er beschleunigte seine Schritte und hastete über den sorgfältig geschnittenen Rasen, bis er eine kleine Erhöhung erreicht hatte, von der aus er auf die Laube hinabblicken konnte.
Er entdeckte sofort
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