Fuehrungs-Spiel
hatte sie 1989 kennengelernt und im Oktober 1993 geheiratet. An dem großen Fest nahmen auch die Jungs aus dem Junioren t eam teil.
So machte ich mich voller Elan, aber auch mit gehörigem Respekt vor der mir übertragenen Aufgabe ans Werk. Die Zeit drängte, bereits 2002 standen die Weltmeisterschaften in Kuala Lumpur auf dem Programm. Die geschlagene Olympiamannschaft von 2000, die zu großen Teilen aus »meinen« Weltmeisterjunioren bestand, wollte ich unbedingt zusammenhalten, was auch weitgehend gelang. Ich konnte also anknüpfen an meine wichtigste Methode bei der Zusammensetzung und Führung meiner Teams: der andauernden Kommunikation zwischen Trainer, Stab und Spielern – wortreich, wenn nötig, doch auch ohne Worte, wenn es die Umstände erforderten. Inzwischen bin ich überzeugt, dass es ein herausragendes, ein übergeordnetes Kriterium für erfolgreiches Arbeiten mit Menschen gibt, eine Kunst des Führens, die es ermöglicht, sie immer wieder zu Höchstleistungen zu bewegen. Diese Kunst gründet auf Intuition und präziser Beobachtung, sie besteht darin, die Menschen zu erreichen und sich von ihnen auch erreichen zu lassen, Sender der eigenen Vorgaben zu sein, aber auch Empfänger ihrer Botschaften, sich ihnen zuzuwenden, um sich bei Bedarf auch abgrenzen zu können, sie so zu fördern und zu fordern. Führen bedeutet entscheiden, planen, analysieren, motivieren oder vertrauen. Vor allem bedeutet Führen aber: kommunizieren.
Diese Erkenntnis ist mir, wie so vieles, nicht einfach zugefallen, sie war und ist Ergebnis zum Teil harter Arbeit an mir selbst. So ließ ich mich von Lothar Linz, unserem Psychologen, bei Mannschaftsbesprechungen filmen, um mich selbst beobachten und meine Wirkung auf die Mannschaft besser einschätzen zu können. Die Analyse dieser Mitschnitte, die anschließenden Coaching-Gespräche gehörten zu den wichtigsten Erfahrungen meines Trainerlebens. Darauf gehe ich im dritten Kapitel im Abschnitt »Trainer brauchen Trainer« noch im Detail ein.
Die erste gemeinsame Bewährungsprobe bestanden die Herrennationalmannschaft und ich mit dem Gewinn der Halleneuropameisterschaft 2001 in Luzern. So konnte ich mit der programmatischen Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Kuala Lumpur beginnen. Unterstützt von Lothar Linz begann ich das Team emotional auf das große Ereignis einzuschwören. Nach unzähligen Einzel- und Gruppengesprächen hatte ich das sichere Gefühl, dass jeder Einzelne den unbändigen Willen hatte, unser gemeinsames Ziel, den Weltmeistertitel, zu erreichen. Diese Phase der Vorbereitung gipfelte in unserem sogenannten Limburger Manifest, einem Papier, auf dem ich alle Spieler und Betreuer folgenden Satz unterschreiben ließ: »Wir wollen am 9. März 2002 erstmals in der Ge schichte des Deutschen Hockey-Bundes Weltmeister werden.« Diese Art, meine Mannschaft auf wichtige Turniere einzuschwören, beschreibe ich im zweiten Kapitel im Abschnitt »Formen: Teams brauchen eine Handschrift«.
Auf keinem Papier konnte ich hingegen meine Frau Britta verpflichten, die anstehende Geburt unserer Zwillinge auf einen Tag zu legen, an dem wir kein wichtiges Spiel um die Champions Trophy 2001 in Rotterdam – des wichtigsten Vorbereitungsturniers vor der WM – auszutragen hatten. Und so musste der notwendige Kaiserschnitt um einen Tag nach vorne verlegt werden. Glücklicherweise war der Weg von Rotterdam ins heimische Krefeld mit 160 Kilometern überschaubar – und so konnte ich Britta in die Klinik und bei der Geburt von Hannah und Sophie begleiten, die Gott sei Dank ohne größere Probleme vonstattenging. Kaum zehn Stunden später leitete ich dann in Rotterdam die Videositzung, in der wir das erste erfolgreiche Spiel um die Trophy auswerteten. Meine Spieler reagierten f antastisch auf ihren Trainer im emotionalen Ausnahmezustand. Sie gewannen nicht nur das wichtige Turnier, sondern hatten auch noch Geschenke für die Kinder vorbereitet. Unmittelbar nach dem Sieg verabschiedete ich mich dann Richtung Krefeld. Und als ich im Krankenhaus zu meiner Frau ins Zimmer trat, war in der Sportschau groß mein Bild mit der Geschichte der Geburt unserer Zwillinge zu sehen und zu hören. Eine grandiose, unvergessliche Woche ging zu Ende.
Nun galt es, sich wieder auf die Umsetzung unseres Manifestes zu konzentrieren. Wir taten dies in der letzten Phase auch durch eine vielseitige Vorbereitungstour an der Ostküste Malaysias, um uns in Südostasien vor der WM zu akklimatisieren. Ich reduzierte
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