Fuehrungs-Spiel
Ostsee unterzogen wir sie einer körperlichen und mentalen Extrembelastung. Das Wetter war mittelmäßig, der Wind blies uns ins Gesicht, die See war rau. Die Aufgabe war, mit Einer- oder Zweier -K ajaks vom Festland acht Kilometer zur Insel Fehmarn zu gelangen, ein Unterfangen, das größte Willensanstrengung voraussetzte, aber bei dem herrschenden Seegang auch nicht ohne Risiko war. Es ging dabei darum, sich gegenseitig zu hel fen, in Schwächephasen füreinander einzustehen. Während der Über fahrt durfte, wer alleine nicht mehr konnte, vom Einer- in den Zweier-Kajak umsteigen. Hans-Dieter und ich erwarteten die Jungs nach vier Stunden Paddeln am Strand von Fehmarn. Ich hatte mir überlegt, die Spieler zu überraschen und sie, entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten, mit zwei Kisten Bier für diese immense Anstrengung direkt beim Eintreffen zu belohnen. Sie wussten das zu schätzen, denn Alkohol war bei mir ansonsten grundsätzlich tabu. Die Mannschaft kam, im doppelten Wortsinne, geschlossen an, sie hatten sich gemeinsam durchgekämpft, einige wollten abbrechen, wurden aber von ihren Kollegen animiert, durchzuhalten. Sie waren ausgelaugt – und hatten doch noch genug Kraft, sich zu freuen.
Ganz so, wie wir uns das auch für den WM-Finaltag in Mönchengladbach vorgenommen hatten. Angetrieben von allen Mitarbeitern in unserem überragenden Betreuerteam gelang es uns, nach einem äußerst strapaziösen WM-Turnier ein letztes Mal alle Kräfte zu mobilisieren. Nach einem 1 : 3-Rückstand schlugen wir die Australier mit 4 : 3. Wir feierten total ausgelassen mit Sektfontänen auf dem Platz und in der Kabine, ich wurde zur Pressekonferenz geschleppt, kann mich aber an keines meiner Worte mehr erinnern. Der »Hockeypark« war jetzt leer, zwei Stunden nach Spielschluss, ich traf den Präsidenten des Hockey-Bundes, Stephan Abel, zufällig an der Auswechselbank, wir setzten uns ein letztes Mal auf die Trainerbank, es kam ein Junge und bat uns um Autogramme, aber Abel schickte ihn weg. Wir sprachen leise und glücklich einige Minuten alleine über diesen denkwürdigen Tag. Ich gab einige Interviews, viel Spannung fiel jetzt ab, ich war total leer und konnte meine Gefühle nicht sortieren, trank dann oben im Festzelt mit den Spielern Bier, die Stimmung war ausgelassen, aber ich war zu kaputt, um mich wirklich zu freuen. Also saß ich ein wenig neben mir, beobachtete und genoss, es kamen viele Leute, um zu gratulieren, ich weiß nicht wer alles, ich träumte das alles nur noch! Meine Frau Britta, die auch dabei war, fuhr mit unseren Kindern irgendwann nach Hause. Meine Hockey-Jungs ließen sich noch auf der Bühne, auf der auch eine Band spielte, immer wieder mit dem Weltpokal von den Gästen feiern, ich wurde auch mehrmals nach vorne gezogen, verschwand aber immer recht schnell wieder. Ich war überwältigt. Irgendwann um halb zwei Uhr nachts fuhr ich mit dem Taxi ins Hotel, die Jungs feierten wild und ausgelassen bis in den Morgen. Ich brauchte jetzt erst mal meine Ruhe.
KAPITEL 2
Wer führen will, muss sich führen lassen: Menschen begeistern, Teams formen, Siegen lernen
Die Basis: Kommunizieren – Information entsteht beim Empfänger
Ursprünglich wollte ich das Kommunizieren als eines der wichtigsten Führungswerkzeuge in diesem Kapitel beschreiben, wie das Entscheiden, das Planen oder das Motivieren. Doch davon habe ich schnell Abstand genommen. Kommunizieren ist nicht eine wichtige Fähigkeit, die man als Führungspersönlichkeit entwickeln muss, Kommunizieren ist die entscheidende Grundlage für jede Führungsaufgabe. In vielen Sitzungen mit meinem Team, in entscheidenden Besprechungen vor dem Spiel oder auch in der Halbzeitpause war die Kommunikation zwischen dem Team und mir das wichtigste Werkzeug auf dem Weg zur Höchstleistung. Wer führen will, muss entscheiden, er muss analysieren oder motivieren können, emotionalisieren oder formen. All diese Begabungen fügen sich zusammen zu einer umfassenden Führungskompetenz, jener diffizilen Mischung aus Planung und Emotion. Gute Kommunikation kann Berge versetzen, Spiele drehen ebenso wie Stimmungen, gute Kommunikation kann Höchstleistungen provozieren, schlechte Kommunikation kann aus Favoriten in kurzer Zeit Verlierer machen. Ohne Kommunikation, das kann ich nach 20 extrem kommunikativen Trainerjahren sicher sagen, ohne Kommunikation ist alles nichts.
Man hört immer wieder, Kommunikation sei ein vor allem intuitives Handwerk. Das kann ich so nicht
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