Fuehrungs-Spiel
wesentlich, dass sich das Team, orientiert an der Handschrift des Trainers, vor großen Turnieren eine Identität gibt, seine Visionen formuliert. Für diese Identität, so meine Erfahrung, geben Mannschaften alles, sie verteidigen sie mit Leidenschaft, sie kämpfen für sie bis zur Erschöpfung – häufig bis zum Sieg. Um das Formen von Mannschaften, um Teambuilding soll es in diesem Abschnitt gehen.
Wie auch der Brief an die Spieler zeigen soll, erfordert diese Identitätsstiftung eine permanente Interaktion zwischen einem Team und seinem Anführer. Als Führungspersönlichkeit habe ich dabei die Aufgabe, einen solchen TeambuildingProzess zu initiieren, zu moderieren und zu steuern. Es gibt keinen Trainingsplan zur Förderung von Teamgeist, kein Fitnessprogramm für mannschaftliche Geschlossenheit. Mehr noch: Wenn es nicht gelingt, alle Mitglieder des Teams in diesem Punkt zum Mitdenken zu bewegen, dazu, mit eigenen Vorschlägen an der Identitätsbildung mitzuwirken, wird das Projekt »Teambuilding« scheitern.
Es ist nicht schwer zu erahnen, dass auch hier die Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg ist. Nur wenn ich als Führungsfigur weiß, was in meinem Team gedacht wird, wie die Stimmung ist, wo es Schwierigkeiten (möglicherweise auch mit mir) gibt, nur dann wird es mir gelingen, aus einer Gruppe Einzelner ein Team zu formen. Ich habe deshalb eine Vielzahl von ritualisierten, aber auch spontanen Gesprächen gepflegt. Jene mit dem Spielerrat und den Führungsspielern, aber auch Einzelgespräche mit den Führungsspielern. Im Einzelnen habe ich im Abschnitt »Kommunikation« darüber berichtet.
Das Formen einer Mannschaft beginnt zunächst mit der Auswahl der Spieler, die ihr angehören sollen. Hier galt für mich immer die Regel: Die Summe der stärksten Einzelspieler ergibt nicht unbedingt das stärkste Team. Das Zusammenspiel der Charaktere, die Mischung aus dominanten und eher zurückhaltenden Spielern, aus extravaganten und konventionellen Typen, schließlich aus erfahrenen und jungen, das war der Mix, aus dem ich meine siegreichen Mannschaften zusammenstellte. Glaubte ich, eine gute Mischung an Charakteren gefunden zu haben, war die Arbeit nicht getan, im Gegenteil, dann begann sie erst. Mit welchen Mitteln konnte es mir gelingen, gemeinsam mit der Truppe eine Identität und damit eine zen trale Voraussetzung für den gemeinsamen Erfolg zu schaffen?
Hierarchie
Zunächst einmal braucht jedes Team eine Hierarchie. Es muss Leader geben und Mitläufer, laute und leise Persönlichkeiten, Führungsspieler und Einwechselspieler. Diese Hierarchisierung ist einer der Ausgangspunkte jeder Teamidentität, sie zu fördern und transparent zu machen ist eine zentrale Aufgabe für jede Führungspersönlichkeit. Nichts ist schlimmer, als wenn sich Spieler die Frage »Warum ich?« oder schlimmer noch »Warum nicht ich?« stellen. Hierarchien können sich durch natürliche oder faktische Gegebenheiten entwickeln, zum Beispiel durch Erfahrung (viele Länderspieleinsätze) oder Erfolg (überragende Leistung). Hierarchien müssen auch bewusst entwickelt und gesteuert werden. Ich habe sie als Trainer gefordert und gefördert, habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich Führungsspieler intensiver zu r ate ziehe als Newcomer. Wichtig ist dabei, dass alle wissen und anerkennen, dass eine solche Hierarchie, ebenso wie die Identität einer Mannschaft, sich permanent weiterentwickelt. Durchlässigkeit ist ein Leitmotiv kluger Hierarchien. So habe ich in meinen Spielerrat oft ganz bewusst auch junge, weniger erfahrene Spieler aufgenommen. Insofern ist eine Rangordnung immer subjektiv und wird in der Konsequenz von einigen auch immer als ungerecht empfunden werden. Damit sich trotzdem alle dieser Hierarchie und dem daraus abgeleiteten Teamgeist verpflichtet fühlen, habe ich mir gemeinsam mit den Teampsychologen immer wieder Maßnahmen ausgedacht, um meine Teams aktiv zu formen.
Der Einzelne und die Gemeinschaft
Als Trainer sah ich es immer als meine Aufgabe, nicht allein die körperliche oder taktische Leistung der einzelnen Spieler zu fördern – ich fühlte mich stets auch verantwortlich für das Zusammenleben und Zusammenfinden des Teams. Ich war und bin der festen Überzeugung, dass Teamidentität nicht auf das Spielfeld begrenzt ist oder mit dem Schlusspfiff endet. Denn auch außerhalb des Spielfeldes galt es zu verinnerlichen: Alle, auch jene, die in der Hierarchie des Mannschaftsverbandes nicht oben stehen, werden
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