Fuehrungs-Spiel
Entwicklung ausgesetzt, dass es nur mit äußerster Konsequenz möglich ist, am Ball zu bleiben. Um auch in Zukunft Erfolg zu haben, musste ich mich folglich als Trainer weiterbilden: auf Seminaren, aber auch, indem ich für mich alleine die Fortschritte auf allen Gebieten meines Sports analysierte. Es machte mir dann auch einfach Spaß, neu Erlerntes auszuprobieren und den Jungs zu zeigen, dass ihr Trainer auf dem neuesten Stand des Wissens ist. Sie sollten sich darauf verlassen können, dass ich auch in Sachen »Lernen« ein Vorbild sein wollte: Wer selbst bereit ist zu lernen – das gilt für alle Führungskräfte –, von dem sind auch andere eher bereit zu lernen.
In der Summe habe ich vielleicht zehn Prozent meiner Zeit in Weiterbildung im ganz konkreten Sinne investiert. Es gab eine große Zahl an Weiterbildungsveranstaltungen, die von Verbänden, der Sporthochschule und der Trainerakademie angeboten wurden. Ich orientierte mich bei der Auswahl an meinen eigenen Wünschen, in einzelnen Bereichen gezielt voranzukommen. Ich versuchte meine Arbeitsweise und mein Denken bewusst vom analytischen, streng naturwissenschaftlich beherrschten Training hin zu einer ganzheitlichen Sichtweise zu erweitern.
Dafür suchte und fand ich Unterstützung vor allem bei den Sportpsychologen in unserem Team, Lothar Linz und später Hans-Dieter Hermann. Das Ziel war, mich zu einer Trainer- und Führungspersönlichkeit zu entwickeln, die in der Lage war, bei der Maximierung der Leistung den ganzen Menschen mit einzubeziehen. Die Themen, die wir erörterten, waren jene, die sich im zweiten Kapitel dieses Buches wiederfinden: kommunizieren, emotionalisieren, vertrauen und all die anderen eher an psychologischen denn an körperlichen Dispositionen orientierten Führungsformen. Es war damals nicht leicht, auf diesen Feldern Fortbildungskurse zu finden, war doch die Sportpsychologie noch kein anerkanntes Wissensgebiet im Hochleistungsbereich. Auch die Verantwortlichen in den Akademien und Verbänden taten sich schwer mit diesen eher »weichen« Themen, weitaus mehr Fortbildungsangebote gab es in den harten Bereichen Training, Technik, Taktik.
Es gab aber auch für mich höchst spannende und ertragreiche Lehrveranstaltungen. Den Verlauf einer solchen will ich kurz schildern, um zu zeigen, worauf es meiner Ansicht nach bei allen Fortbildungsmaßnahmen ankommt: auf die Bereitschaft, bei sich selbst wirklich ans Eingemachte zu gehen. Dazu bedarf es neben der eigenen Disposition natürlich auch einer passenden Umgebung und den entsprechenden Partnern, die eine solche Öffnung möglich machen.
Im Jahr 2000 meldete ich mich zu einem Weiterbildungsseminar der Kölner Trainerakademie an. Sie trug den Titel »Kommunikation und Rhetorik für Trainer«. Ich reiste also in das Ausbildungszentrum eines bekannten Persönlichkeitstrainers in die Eifel und traf mich mit 15 Bundestrainerkollegen aus diversen Sportarten. Zwei Tage lang wurden in Rollenspielen die täglichen Kommunikationssituationen zwischen Trainer und Sportler simuliert und geprobt. Für mich hatte sich der Seminarleiter eine besondere Aufgabe ausgedacht: »Du musst deinem langjährigen Leistungsträger jetzt klarmachen, dass er nach drei Jahren aufopferungsvollem Training mit dem großen Ziel Weltmeisterschaft leider als Letzter in der Nominierungsphase ausscheidet.« Vorher hatte er meinen erfolgreichen Volleyballkollegen Sigi Köhler als meinen Gegenpart (ohne, dass ich das wusste) total aufge putscht: Köhler spielte den renitenten, zutiefst verletzten Spie ler, der seine Nichtnominierung nicht fassen kann und dem Trainer die Hölle heißmacht. Vor aller Augen und der gnadenlosen Videokamera lieferten wir uns eine 20-minütige Redeschlacht. Sigi Köhler spielte seine Rolle kreativ und mit großem Engagement. Die Aufnahmen wurden dann anschließend genüsslich eine Stunde lang vom Seminarleiter und den Kollegen mit vielen harschen, aber konstruktiven Bemerkungen zu meiner Ausstrahlung, Mimik, Körpersprache, zu Gehalt und Prägnanz der Antworten bis ins Detail zerlegt. Eine unvergessliche Lehrstunde. Solche intensiven Weiterbildungen hätte ich mir in jedem Jahr zwei m al gewünscht, leider gab es zu wenige dieser anspruchsvollen Angebote.
So schuf ich mir eigene. Seit 1991 hatte ich in der professionellen psychologischen Trainings- und Wettkampfbetreuung bei den Junioren und bei der Herrennationalmannschaft mit drei verschiedenen Psychologen, Uli Kuhl, Lothar Linz und Hans-Dieter
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