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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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insbesondere jeder, der als Führungsperson Verantwortung auch für andere trägt, muss sich von Zeit zu Zeit fragen, ob er – unabhängig von Erfolg und Misserfolg – mit seinen Ansprüchen und Vorstellungen noch an der richtigen Stelle ist. Wann aber ist dieser Moment der – eigenen – Entscheidung gekommen? Woran spürt man, ob es sich bei einem mentalen oder auch körperlichen Tief nur um eine Talsohle handelt, aus der man nach einer Regenerationsphase wieder herausfindet? Und was sind die Signale, die einem bedeuten : »Schluss! Aus! Vorbei! Jetzt ist es Zeit zu gehen«?
    Vier Jahre später, zwei Wochen nach der Rückkehr von den Olympischen Spielen in Athen, ich arbeitete gerade an der Olympia-Analyse, überkam mich zum ersten Mal ein Gefühl tiefer Leere und Antriebslosigkeit. Für mich nannte ich es das »Scheißegal-Gefühl«. Ich kannte es nicht, hatte so etwas noch nie gespürt. Jeden Morgen kam es wieder, bei meinem Waldlauf im Krefelder Stadtwald. Oft verging es den ganzen Tag nicht. Inzwischen weiß ich, dass viele Menschen in exponierter Funktion, nein, dass eigentlich jeder Mensch, der mit Energie seine Ziele verfolgt, dieses Gefühl kennt.
    Ich also fühlte mich in diesen Herbst- und Wintermonaten des Jahres 2004 ausgelaugt, hatte keinerlei Lust, die Mannschaft auf die nächste prestigeträchtige Champions Trophy vorzubereiten. Wieder eine Champions Trophy! Wieder reisen! Wieder trainieren! Wieder spielen! Wieder gewinnen wollen! Die Gedanken, die jahrelang meinen Adrenalinspiegel in die Höhe schießen ließen, in dieser Zeit ödeten sie mich einfach nur an. Die Gedanken an Lahore, die beschwerliche Anreise, das extreme Klima, die schlimme Armut, die bettelnden Kinder, die schon morgens beim Lauf durch einen Park hinter mir herlaufen würden, das für empfindliche Mägen herausfordernde Essen, den Geruch der pakistanischen Gewürze, der einen überallhin verfolgte – das alles lag irgendwie wie ein dicker, schwerer Nebel auf meiner Seele. Ich hatte »null Bock« auf diese Trophy, einen der begehrtesten Pokale im Welthockey. Auch in meinen Selbstgesprächen, mit denen ich mich sonst ja motivieren konnte, merkte ich, dass diese negativen Emotionen alles überlagerten. In diesem Moment hätte ich, wenn es die Gelegenheit gegeben hätte, sofort Schluss gemacht als Bundestrainer. Doch die Verantwortung für die Spieler und deren Motivation verhinderte dies – und ich verlängerte meinen Vertrag um vier weitere Jahre, wusste aber, dass ich nach der WM 2006 aufhören wollte.
    Wer über Abschied nachdenkt, muss, jedenfalls in meinem Alter, auch über (Neu-)Anfang nachdenken: In den vier Jahren nach dem ersten Weltmeistertitel mit den Herren 2002 ist diese Offenheit für einen Neuanfang langsam, zunächst unmerklich und dann, nach Athen, ganz dramatisch gewachsen. Ich brauchte diese Zeit, um zu erkennen, wo ich denn hingehörte. Ich wollte mir in Ruhe ein neues, spannendes Betätigungsfeld suchen, das mich motivieren und meinen Ehrgeiz auf einer anderen Ebene stillen könnte. Ich kam, besonders mit der Hilfe meiner Frau Britta und einiger Freunde, zu der Erkenntnis, dass ich weiter im Sport arbeiten wollte, dass ich die Prinzipien und Strategien des Leistungssports so tief in mich aufgesogen hatte, dass ich sie in meinem Berufsleben auf keinen Fall würde missen wollen.
    Und so kam es, dass sich nach den Olympischen Spielen, also genau zum richtigen Zeitpunkt, einige zunächst lose Perspektiven andeuteten. Der Kontakt zu Jürgen Klinsmann, der seit Sommer 2004 Fußballbundestrainer war, und seinem Manager Oliver Bierhoff intensivierte sich, wie ich an anderer Stelle auch beschrieben habe. Vonseiten des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees brach te man mich als Direktor für Leistungssport ins Gespräch. Doch die anstehende komplizierte Fusion der beiden Organisationen zum Deutschen Olympischen Sportbund verhinderte konkrete Schritte. Eine Tätigkeit als Sportdirektor des Deutschen Hockey-Bundes wurde genauso diskutiert wie die des Direktors der Trainerakademie in Köln. Hier hätten sich interessante Zukunftsperspektiven für mich ergeben. Meine kör perliche und psychische Verfassung nach den Olympischen Spielen war ein Warnschuss gewesen. Außerdem hatte ich die Biografien meiner erfolgreichen Vorgänger im Kopf, die den rechtzeitigen Absprung nicht geschafft hatten und schließlich unfreiwillig gehen mussten. Ganz sicher war: Ich wollte nicht weitere 15 Jahre als Trainer auf

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