Fuehrungs-Spiel
Energie, die dabei umgesetzt wird, ergibt sich fast zwangsläufig, dass solche mentalen und physischen Kraftakte nicht unendlich ausdehnbar oder pausenlos wiederholbar sind.
Aus dieser Erkenntnis heraus hatte ich Ende 2000, als ich meinen ersten Vierjahresvertrag als Herren b undestrainer unterschrieb, dem Verband, meinem Arbeitgeber, mitgeteilt, dass ich diesen Job lediglich vier oder maximal sechs Jahre ausüben würde. Ich ahnte, dass mein Führungsstil sich nach einer bestimmten Zeit buchstäblich verbrauchen würde, jedenfalls wenn ich mich über Jahre immer mit einem harten Kern derselben Spieler umgeben würde. Die Intensität, mit der ich Mannschaften führte, formte und begleitete, führte alle Beteiligten an die natürlichen Grenzen der Motivation – der Selbstmotivation, aber auch der Motivationsleistung, welche die Teammitglieder selbst einbringen mussten. Dies ist die für alle Führungspersonen entscheidende zweiteilige Frage: Kann ich mich selbst motivieren und kann ich mein Team dazu bringen, sich selbst optimal zu motivieren? Wenn Zweifel an der Antwort »Ja« auch nur bei einem Teil der Frage aufkommen, ist es Zeit, über Veränderungen nachzudenken.
So war meine Selbstmotivation zwischen Ende 2000 bis zu den Olympischen Spielen in Athen 2004 immer im absoluten Grenzbereich. Nach dem großen Erfolg 2002 mit dem Gewinn der ersten Weltmeisterschaft für ein deutsches Herren t eam bekam ich nach einer körperlichen Talsohle von wenigen Wo chen noch einmal Auftrieb. Es galt durchzustarten in Richtung meiner ersten Olympischen Spiele als Cheftrainer in Athen 2004. Bekanntlich gewannen wir in Athen die Bronzemedaille, eine Platzierung, die mich keinesfalls enttäuschte. Jedoch spürte ich deutlich, dass ich in diesem Moment die Grenze meiner Kraft und Motivation überschritten hatte. Nach vier Jahren am Limit fühlte ich mich leer. Ich hatte das Gefühl, aus dieser physischen wie psychischen Tal sohle nicht mehr herauszukommen. Ich war total ausgebrannt. Jeder, der über einen längeren Zeitraum Höchstleistungen bringt, wird dieses Gefühl kennen. Auf die Fragen, wie damit umzugehen ist, welche Konsequenzen zu ziehen sind, gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Aus meiner Erfahrung aber kann ich sagen: Nur wer sicher ist, sich selbst und andere weiter motivieren zu können, sollte sich und anderen eine weitere Zusammenarbeit zumuten beziehungsweise zutrauen.
Nach den Olympischen Spielen 2004 brauchte ich ungefähr fünf Monate, um aus der Motivationstalsohle herauszufinden. 2005 dann, als es um den neuen Vertrag ging, der bis Olympia 2008 gehen sollte, spürte ich schon leise Zweifel in mir, ob meine Motivation für vier weitere Jahre in dieser Knochenmühle reichen würde. Außerdem hatte ich für mich beschlossen, dass ich – nach etwa 20 Trainerjahren – im Alter von dann Mitte 40 noch einmal in einem anderen Umfeld eine neue Aufgabe übernehmen wollte. Das habe ich den Verantwortlichen des Verbandes damals offen gesagt. Ich unterschrieb dennoch. Meine Leidenschaft kam besonders durch die neuen, jungen, ehrgeizigen, schnell lernenden Spieler im Winter 2004/2005 zurück, die hoch motiviert arbeiteten, wollten sie sich doch für die Weltmeisterschaft 2006 empfehlen.
Ich beschloss, noch einmal all meine Kraft in die nächsten zwei Jahre bis zur Weltmeisterschaft in Mönchengladbach zu investieren. Die Aussicht auf einen großen Sieg, der Traum, mit einem großen Titel, als Weltmeister 2006, aufzuhören, motivierte mich ungemein. Ich spürte ein letztes Mal die Chancen und ich sah – in diesem Fall unverrückbar – vor mir: die Grenzen der Selbstmotivation.
Schluss! Aus! Vorbei? Wann es Zeit ist zu gehen
Es war ein paar Wochen nach den Olympischen Spielen von Sydney im November 2000, an denen ich als Co-Trainer teilgenommen hatte. Der Deutsche Hockey-Bund (DHB) hatte sich entschieden, mir ein Angebot als Bundestrainer der Herrenmannschaft zu unterbreiten. An einem großen Tisch saß ich in der Kanzlei des Vizepräsidenten des DHB in Köln, Joa chim Hürter, gegenüber und sagte zu ihm: »Ich bin mir darüber im Klaren, dass man einen solchen Job nicht ewig machen kann. Ich will selbst entscheiden, wann ich gehe.« Hürther schaute mich an und murmelte dann: »Das sagen sie immer alle.« Was er nicht wusste: Ich meinte es ernst.
Der Anspruch, selbst entscheiden zu können, wann man einen Job verlässt, kann natürlich durch die Realität über den Haufen geworfen werden. Und doch: Jeder,
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