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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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habe zweimal ein Bild gesehen, auf
dem sie alle zusammen drauf sind. Es muß ein Zusammenhang bestehen. Jetzt krieg
ich eine neue Sprechstundenhilfe. Sie ist kaum da, da stirbt ihre Tante, bei
der sie wohnt. Das Bild auf dem Nachttisch neben der Toten hat fünf Namen auf
der Rückseite. Zwei von den alten Damen leben noch. Eine davon ist meine
Patientin. Frau Lansome. Die zweite wird es noch. Frau Lindemann.»
    Zum erstenmal kam ein Schimmer von
Überraschung in seine Züge. Aber lange hielt er nicht an. Ich redete weiter.
    «Ich bin ziemlich engagiert bei der
Geschichte, wie Sie sehen. Auf zwei Frauen von siebzig muß ich aufpassen, bis
Sie wiederkommen und mich nach der Todesursache fragen.»
    Ich lehnte mich vor an die
Schreibtischkante. Die gestohlene Zeitung knisterte leise in der Brusttasche.
    «Herr Doktor Krompecher— wer kriegt
denn das Geld, wenn sie alle tot sind?»
    Krompecher stand auf. Seine funkelnden
Brillengläser waren auf mich gerichtet wie die Läufe einer Doppelflinte.
    «Ich habe meinen Worten nichts mehr
hinzuzufügen. Ich muß diese Unterredung als beendet betrachten.»
    Langsam erhob ich mich. Ich war größer
als er und konnte auf ihn hinuntersehen.
    Einen Augenblick überlegte ich, ob ich
mit der Geschichte aus der Zeitung rausrücken sollte. Dann verwarf ich den
Gedanken, weil mir ein besserer kam. Es hatte auch keinen Zweck, den letzten
Trumpf noch an Krompecher zu verschleudern.
    «Um Geld ging es doch, wie? Na, vielen
Dank, daß Sie mich angehört haben. Guten Tag.»
    «Guten Tag.»
    Als ich die Klinke in der Hand hatte,
drehte ich mich um. Er stand unbewegt und aufrecht hinter seiner ledernen
Arbeitsstätte, ein Anwalt und Hüter des Rechts. Aber es kam mir so vor, als würde
er nur durchhalten, bis ich draußen war.
    «Wir sehen uns ja spätestens nach dem
nächsten Todesfall », sagte
ich in sein eisiges Gesicht hinein. Dann ging ich hinaus. Der Ausgang war am
Ende des Flurs, und der Weg führte leider nicht durch das Zimmer des Mädchens
mit den Glutaugen und Reklamezähnen.
    Ich spürte Hunger in mir und ging in
die farbenfrohe Espressostube neben dem Ausgang. Sie war jetzt ziemlich voll,
aber ich fand einen Platz an der Theke zwischen einer forschen Vertretertype
und einem Mädchen mit getönter Brille und ebensolchem Haar.
    Ich aß drei Paar Würstchen, die mir die
heitere Bedienung über die Marmorplatte schob, und trank einen Kaffee
hinterher. Meine Laune war nicht schlecht. Viel hatte ich nicht erreicht, aber
es war fraglich, ob Krompecher mit gleich gutem Appetit beim Mittagessen saß.
Ich zahlte und suchte mir die Telefonzelle. Die Nummer in meinem Notizbuch war
kaum mehr leserlich, so lange stand sie schon drin. Ich bekam die Zentrale,
nannte den Hausapparat, wartete und hörte die vergeblichen Versuche des
Rufzeichens.
    «Hören Sie noch?»
    «Ich höre noch.»
    «Da meldet sich niemand. Kommissar
Nogees ist sicher zu Tisch.»
    Das sah ihm ähnlich, jetzt noch zu
Tisch zu sein.
    «Können Sie ihm ausrichten, er soll
mich anrufen?»
    73
    «Selbstverständlich.»
    Ich nannte Nummer und Namen und hängte
auf. Dann verließ ich das gastliche Unternehmen. Es war halb drei. Höchste Zeit
für die Besuche.
    Mein Wagen stand unberührt zwischen
seinen vornehmen Artgenossen. Kein Mensch machte Anstalten, ihn zu stehlen. Der
Parkwächter hielt es deswegen auch nicht für nötig, sich um mich zu kümmern,
als ich einstieg und fortfuhr. Ich hätte ebensogut einen anderen nehmen können.
    Ich kam gerade zur Sprechstunde
zurecht. Mechthild balancierte eine randvolle Kaffeetasse herein.
    «Da hat ein komischer Mann angerufen—
Nogees oder Nugees— , er fragte, ob Sie auch zu Tisch wären, und dann wollte er
wissen, wie ich aussehe.»
    «Haben Sie’s ihm gesagt?»
    «Natürlich nicht.»
    «Hätten Sie ruhig tun können», sagte ich
und schlürfte an der Tasse herum. «Er kriegt es sowieso raus. Ist bei der
Polizei.»
    Sie sah erschrocken aus.
    «Haben Sie was ausge— »
    «Nein, nein. Schulfreund von mir.»
    «Ach so. Er kicherte auch immer so
dumm— »
    «Der kichert immer. Ruft er wieder an?»
    «Ja, um fünf. Aber sagen Sie ihm ja
nicht, wie ich aussehe!»
    «Keine Spur. Nur, daß er so dumm
kichert. Hier, die Tasse. Und her mit der Kundschaft.»
    Nogees’ Anruf fiel gerade in eine
Flaute. Mechthild war mit im Zimmer.
    «Was gab es bei dir?» fragte ich.
    «Kaßler. Kantinenessen Nummer vier. Und
du?»
    «Würstchen.» ,
    «Aha. Du, deine Perle hat eine
niedliche

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