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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Spezialheini. Die Membran— »
    «Wenn man das Ding weit genug weghält—
»
    «Na schön. Aber ich habe das dumpfe
Gefühl, du hängst zu sehr an deiner Idee, um sie aufzugeben. Wenn ich Anfänger
wäre in unserer Branche, würde ich wahrscheinlich auch dran hängen. Wie du an
deinen ersten gewaltigen Fällen, die nachher keine waren. Alles wirkt
geheimnisvoll, wenn man keine Ahnung hat. Der ganze Kram ist zu sehr an der
Mähne herbeigezogen. Was glaubst du, wie nüchtern es bei uns zugeht. Apropos
nüchtern. Prost!»
    «Nur das Saufen hat der Kerl im Kopf»,
antwortete ich.
    «Laß die alten Tanten in Frieden ruhen
und die Erbschaft auf den Kopf hauen, wer will. Wir haben eh nichts davon.»
    Bevor ich etwas erwidern konnte,
schubste er Sherlock von seinem Schoß und schlug sich auf den Schenkel.
    «Mensch, ich hab’s! Wir machen einen
Kriminalroman daraus. «Fünf tote alte Damen.› Und ich hab auch einen Mörder!»
    «Wer?»
    «Du natürlich! Kein anderer als du!»
    «Großartig», sagte ich ergriffen und
schenkte die Gläser bis zum Eichstrich voll.
    «Na klar! Wenn alle fünf tot sind,
kassieren die Verwandten. Mechthild ist eine Verwandte. Ihr macht zusammen eure
Sprechstunde, und nach Dienstschluß mordet ihr ein bißchen. Hähä. Dann
heiratest du sie und streichst die Kopeken ein. Na, wie ist das?»
    «Du bist doch das gigantischste
Rindvieh, an das ich je meinen Whisky verschwendet habe. Wie kommst du auf die
Idee, daß ich Mechthild heirate?»
    «Na, hör mal, Onkel. Willst du einem
alten Polizisten Teer in die Augen träufeln? Das sieht meine blinde Großmutter,
daß sie in dich verknallt ist. Und du nicht minder in sie.»
    «Noch eine alte Dame», sagte ich. «Das
erste, was ich höre. Wann heiraten wir?»
    «Wie ich’s gesagt habe. Wenn alle tot
sind.»
    «Sehr zum Segen, Herr Trauzeuge», sagte
ich. Wir tranken mit Andacht. Daniel wischte den Whisky von seinen Lippen.
    «Übrigens hättest du mir ruhig sagen
können, daß ihre Tante gerade erst— dann hätte ich den Zirkus sein lassen.»
    «Du machst so und so einen miserablen
Eindruck», antwortete ich. «Sie ist nicht zimperlich.»
    Wir schwiegen für kurze Zeit. Die Uhr
meiner Kirche schlug zwölfmal.
    «Und damit wäre der fünfundzwanzigste»,
sagte Daniel. «Und unsere Pulle ist trocken wie die Sierra Nevada. Was hast du
noch vor?»
    «Kühles Bier zum Abschied?»
    «Aye, aye, Sir.»

    Wir tranken noch eine Flasche. Dann
brachte ich Daniel und seinen Hund auf die Straße. Sherlock bellte fröhlich an
den friedlichen Fenstern empor.
    «Wer jetzt noch nicht wach ist, den
schafft mein Auto», sagte Daniel. «Gehab dich wohl, Witwenmörder. Und grüß mir
die Frau Doktor.»
    «Hau ab, du Flasche», sagte ich.
    Er fuhr um die Ecke. Ich schloß die
Haustür ab, räumte die Gläser weg und ging ins Bett. Bevor ich einschlief,
schwor ich mir, nicht mehr an die Geschichte zu denken. Zwei Tage danach wurde
ich wieder daran erinnert.
    Das war der Sonnabend mit seinem
Normalbetrieb. Die Patienten verhielten sich entsprechend.
    Zuerst machten sie alle ihre Betten.
Ich konnte es daran erkennen, daß überall die Bettdecken über die
Fensterbretter hingen. Die Decken verschwanden, dafür wurden Besen und
Staubtücher aus den Fenstern geschüttelt. Anschließend ging man einkaufen, und
schließlich fiel ihnen ein, daß sie noch die Wochenendrezepte brauchten, denn
es war alles gerade zu Ende gegangen. Darauf stauten sie sich bei mir im
Wartezimmer und auf dem Flur und wunderten sich, wo um elf Uhr die anderen noch
alle herkamen. Wir wunderten uns nicht, sondern arbeiteten im Akkord, um wieder
Luft zu kriegen. Gerade hatte ich einer mit Naturalien beladenen Hausfrau vier
Rezepte in die Hand gedrückt. Statt der nächsten kam Mechthild und schloß die
Tür hinter sich.
    «Sie ist da!» flüsterte sie.
    «Wer?»
    «Die Schulfreundin. Die von Tante Bertha—
vom Friedhof!»
    Ich faltete die Hände über dem Ansatz
meines Bauches und überdachte mein Schicksal. Der Trubel hatte mir dazu
verholfen, meine alten Damen vollständig zu vergessen. Aber sie vergaßen mich
nicht. Das war Dorothea Lindemann, die vierte von fünfen.
    Und am Sonnabend.
    «Noch viel da?»
    «Zwei sind vor ihr.»

«Na, dann weiter.»
    Die zwei bestanden aus einem Rezept,
einer Überweisung zum Augenarzt und etwas gutem Zuspruch. Dann sammelte ich
mich, um Dorothea ins Auge zu sehen. Sie trat über die Schwelle, und ich war
platt.
    Weder war etwas von siebzig Jahren an
ihr zu sehen noch

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