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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Stimme.»
    «Das fand sie auch von deiner»,
antwortete ich.
    «Aber sie wollte mir nicht sagen, wie
sie aussieht.»
    «Sie war Klosterschülerin und ist sehr
schüchtern», sagte ich. Mechthild machte zornige Gesten und drohte mir mit
einer Schere. «Wenn du bis halb sieben bei mir bist, kannst du sie bestaunen.»
    «Heute abend?»
    «Heute abend.»
    «Hm. Weingeist im Hause?»
    «Ist.»
    «Na schön. Nur wegen des Mädchens.»
    «Das Mädchen ist vierundfünfzig», sagte
ich und legte auf.
    Gleich darauf klingelte es wieder,
bevor Mechthild zu Worte kam.
    «Vierundfünfzig? Ach, deswegen wollte
sie nicht sagen— »
    «Genau.»
    Er kicherte und machte Schluß.
Mechthild war etwas wütend.
    «Wie können Sie sagen, ich wäre
vierundfünfzig?»
    «Reine Notwehr», erwiderte ich. «Wenn
ich Ihr wahres Alter gesagt hätte, wäre er in zehn Minuten schon hier. Und wir
haben noch etwas zu tun.»
    Die Neugierde machte sie wieder friedlich.
Ich sah sie ab und zu nach der Uhr schielen.
    «Wenn Sie’s nicht erwarten können,
werde ich eifersüchtig», sagte ich.
    «Geschieht Ihnen recht.»
    Kurz nach sechs waren unsere Hallen
leer. Ich machte mich an die Eintragungen, Mechthild sich an unser Handwerkszeug.
Es schlug halb sieben, und da sah ich durch mein Fenster Daniel Nogees
vorfahren, meinen Schulfreund von derselben Bank. Er war wohl der einzige in
der Stadt, der ein noch älteres Auto hatte als ich. Einen Opel aus dem
Olympiajahr 1936.
    «Mechthild!» rief ich.
    «Ja?»
    «Er kommt. Wenn Sie an die Tür gehen,
passen Sie auf Ihre Strümpfe auf.»
    Ohne tieferes Verständnis blickte sie
durch den Türspalt.
    «Meine Strümpfe?»
    «Ja.»
    «Aber wieso— »
    Es klingelte anhaltend.
    «Beherzigen Sie meinen Rat», sagte ich.
    Kopfschüttelnd verschwand sie. Dann
klingelte es wieder, die Tür öffnete sich, schallendes Gebell, Daniels Kichern
und Mechthilds Stimme klangen durcheinander.
    «Pfui! Gehst du weg! Wirst du aufhören,
du Teufel— »
    «Ist das eine Art, zwei Herren zu
begrüßen», rief Nogees. «Ja, beiß sie, mein Tierchen— so ist’s richtig— Weiber
muß man hart anfassen - noch dazu so alte— hähähähä.»
    «Lach nicht so blödsinnig, sondern komm
rein», rief ich.
    «Ach, der Meister— noch am
Arbeitsplatz— so ein emsiger Mensch — hähä— ich heiße Nogees, meine Dame—
Daniel mit Vornamen— das ist Sherlock, der Meisterdackel— Spurensucher und
Nylonliebhaber— »
    Es bumste an meiner Tür. Sie flog auf,
und Sherlock schlitterte über das Linoleum und hopste an meinem Stuhl hoch,
heftig quiekend.

    Ich zog ihn an den Ohren, bis Daniel
eintrat.
    «Heil dir, mein Arzt», sagte er.
    Er sah aus wie ein listiger Indianer,
obwohl er nicht viel kleiner war als ich. Hinter ihm kam Mechthild. Sherlock
stürzte sich wieder auf sie und versuchte, Kerben in die Strümpfe zu ziehen.
Sie erwischte ihn am Kragen und nahm ihn auf die Arme.
    «Hat lange gedauert, ihm das
beizubringen», sagte Daniel und ließ sich auf den Patientenstuhl nieder.
«Michel, du hast einen Beamten belogen. Sie ist nicht vierundfünfzig.»
    «Sie war es vorhin noch», erwiderte
ich. «Aber da kam ein Vertreter mit Verjüngungspillen. Radioaktiver Knoblauch.»
    «Nicht zu glauben. Gebt mir auch ein
paar— »
    «O ja», rief Mechthild. «Und dann tu
ich ihn auf die Säuglingswaage und füttere ihn mit Reisschleim.»
    «Natürliche Ernährung soll besser
sein», sagte Daniel. «Oder bin ich da falsch informiert?»
    «Ich sehe, ihr versteht euch gut»,
sagte ich. «Nun sieh sie dir genau an, du Bursche, und dann sag schön auf
Wiedersehen. Ihre Mama wartet, und Jugendliche darf ich keine Überstunden
machen lassen.»
    Mechthild errötete zart und senkte ihr
Gesicht in das Fell des Dackels Sherlock.
    «Wenn er Sie ausbeutet, Fräulein Mechthild,
wenden Sie sich an das Präsidium, Zimmer 512.»
    «Und laut klopfen», fügte ich hinzu.
«Sonst wacht er nicht auf.»
    Mechthild schüttelte die Locken.
    «Man merkt, daß Sie auf einer Schule
waren. Nichts als Unsinn im Kopf. Soll ich noch etwas zurechtmachen?»
    Nogees stand auf, fiel vor ihr auf die
Knie und breitete die Arme aus.
    «Das Bett für mich, schönste Sklavin
eines Despoten», rief er. «Hier steht der Inbegriff der Schönheit vor meinem
trunkenen Auge, und dieser Mensch vertreibt ihn— oh, ewige Gestirne, gebt
meinen Sinnen die Ruhe wieder— »
    «Hier haben Sie Ihren Sherlock wieder»,
sagte Mechthild und legte den Dackel in seine Arme. «Und der Boden ist

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