Fünf alte Damen
ohne
hinzusehen. Ich drückte noch dreimal auf die Klingel, aber ich wartete nicht
mehr auf eine Antwort und beugte mich herunter zu dem Schloß an der Tür.
Es war ein einfaches Ding mit einem
Eisenbeschlag, den große, breitgekerbte Schrauben hielten. Das Schlüsselloch
sah völlig harmlos aus.
Mechthild bekam runde Augen, als sie
mein Schlüsselbund sah.
«Wollen Sie einbrechen?»
«Sie liegt da drin», sagte ich. «Sie
kann sich vielleicht nicht rühren und wartet auf uns. Sie hört die Klingel und
kann nicht aufstehen.»
«Ich habe auch noch Schlüssel mit.»
Wir probierten alle. Meine, dann ihre.
Keiner paßte.
«Warten Sie», sagte ich. «Bin gleich
wieder da.»
Sie gab keine Antwort. Ich lief die
Treppen hinunter, aus der Tür, um das Rondell und hinaus. Mein Autowerkzeug
bestand längst nur noch aus einem verrosteten Rest. Aber ich wußte, daß ich ein
Montiereisen hatte, und ich fand es lose im vorderen Kofferraum, umwickelt mit
einem öligen Lappen.
Dann war ich wieder oben an der Tür.
Mechthild stand bei mir, und sie sprach auch nicht, als ich die Schneide des
Eisens in den Spalt neben der Klinke stieß.
Das Holz knirschte. Die Leiste bog sich
nach außen. Feine Risse platzten in die Maserung. Dann splitterte es, das Eisen
rutschte ab und schlug klirrend gegen die Klinke.
Ich zog mein Taschentuch heraus und
ballte es um den Schaft. Ich rammte das Eisen mit einem Ruck durch die
gesplitterte Kante. Die Schneide stieß auf Metall. Eine Sekunde wartete ich.
Dann warf ich mich mit gewinkelten Armen gegen den Schaft. Mit einem häßlichen
sprengenden Geräusch brach der Riegel nach hinten durch. Ich schlug schwer mit
der Schulter gegen den stehenden Türflügel.
Der andere schwang zurück. Es war still
und dunkel dahinter. Ich konnte nichts erkennen. Nur ein ungewohnter,
gemütlicher Geruch kam heraus, so nach Beschaulichkeit und Lebensabend. Ein
paar Herzschläge lang standen wir reglos vor der aufgebrochenen Tür. Ich
wartete darauf, die Stimme der alten Dame zu hören, vielleicht erschrocken oder
entrüstet, aber wenigstens da.
Kein Laut kam aus der Tiefe der
Wohnung.
Mechthild sagte leise: «Sie wird doch
weggegangen sein.»
Ich blickte auf das Montiereisen in
meiner Hand, dann in das Gesicht des Mädchens.
«Hm», machte ich. Es war das
Nächstliegende. Mechthild konnte nichts wissen von meinen Sorgen. «In diesem
Fall darf ich ihr eine neue Tür zum Geburtstag schenken.»
«Was jetzt?»
Ich hob den Blumentopf vom Boden hoch.
«Jetzt sind wir einmal hier. Geben wir
die Blumen ab.»
Ich trat durch den Eingang.
Der Flur war so breit wie die Tür und
etwa fünf Meter lang. Drei Türen gingen von der linken Seite ab. Eine vierte
lag gegenüber am anderen Ende. Sie war halb geöffnet, und das wenige Licht, das
den Flur erhellte, drang durch den Spalt.
Langsam ging ich vorwärts.
Eine Garderobe stand rechts an der
Seite. Ich sah mich in dem Spiegel des Mittelteils wie einen anderen Mann.
Mechthild kam dicht heran.
«Sehen Sie», flüsterte sie. «Ihr Hut
ist da!»
Auf ein paar hölzernen Querstäben lag
der Hut, den Dorothea getragen hatte. Eine Weile starrte ich ihn an, und dann
fiel mir auf, daß die Nadel mit dem Pferdekopf nicht daran war. Lag sicher
irgendwo herum. Ein dunkler Mantel war noch da und ein schwarzer Schirm.
Langsam schob ich mich auf die hintere Tür zu. Das Seidenpapier des
Blumentopfes knisterte. Im nächsten Moment stand ich auf der Schwelle. Mit dem
Unterarm drückte ich die Tür ganz auf.
Ein freundliches Wohnzimmer. Nichts
Unheimliches war daran. Die Vorhänge zweier breiter Fenster auf der linken
Seite waren halb zugezogen und hielten das drängende Sonnenlicht zurück.
Geruhsame Plüschsessel, alte Bilder, ein Schrank und eine Kredenz mit gedrechselten
Holzsäulen. Über dem Tisch hing eine große geklöppelte Decke mit leicht
vergilbten Fäden.
Ich trat an den Tisch heran und stellte
den Blumentopf darauf. Mechthild legte ihre Pralinenschachtel daneben. Wir
drehten uns um und sahen an der Wand neben der Tür eine riesige nagelneue
Musiktruhe mit der größten Fernsehröhre, die auf dem Markt war. Das helle Holz
und die moderne Form bildeten einen seltsamen Kontrast zu der betagten
Umgebung.
«Guck dir das an», sagte ich. «Scheint
doch nicht die Ärmste zu sein, unsere Dorothea.»
«Vielleicht auf Raten», antwortete
Mechthild.
Das Zimmer hatte einen zweiten Ausgang.
In der hinteren Ecke neben den Fenstern war ein Mauerdurchbruch, groß wie eine
Tür,
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