Fünf alte Damen
fahren Sie woanders hin und holen mich dann ab.»
Ich schwenkte langsam mit dem Stuhl und
betrachtete meine Angestellte. Schlecht war die Idee nicht. Nur Daniel würde
grinsen, wenn er es sehen könnte.
«Das wäre eine Möglichkeit», sagte ich.
«Erinnern Sie mich, daß ich Ihnen ins Zeugnis schreibe ‹Hat Eigeninitiative›.
Außerdem könnten Sie mitkommen zu unserer Dorothea und ihr zum Geburtstag
gratulieren.»
«Hat sie heute?»
«Ja. Blümchen müssen wir noch holen.
Was ist mit Ihrem Essen?»
«Bis jetzt nichts. Das müßte ich erst
machen.»
«Mutti nicht mehr da?»
«Nein! Die kann doch nicht ewig
hierbleiben. Ich bin allein im Haus.»
«Keine Angst?»
«Nicht viel.»
«Hm. Dann schlage ich folgendes vor:
Ich mach die Eintragungen, Sie räumen auf, und dann fahren wir zum Essen.
Anschließend holen wir die Blumen und fangen bei Dorothea an. Und dann spulen
wir den Rest ab. Gut?»
«Gut.»
Eine Stunde später saßen wir in meinem
Stützpunktlokal hinter den Kalbssteaks. Die Kellnerin war eine Spur kühler, als
sie mich mit einem Mädchen sah. Wahrscheinlich hatte sie mich für einen der
letzten Tugendsamen gehalten. Das Trinkgeld würde ihr darüber hinweghelfen.
Beim Kaffee las ich kurz in der Zeitung
herum.
«Verbergen Sie Ihre Abneigung einem
Untergebenen gegenüber», murmelte ich. «Es erspart Ihnen Ärger und Mühe.»
«Was ist das?» fragte Mechthild.
«Mein Horoskop für heute», erwiderte
ich. «Ich soll meine Abneigung Ihnen gegenüber verbergen. Das erspart mir
Mühe.»
«Damit wird der Verband gemeint sein.»
«Ja. Wann sind Sie geboren?»
«Vierten April.»
«Aha, Widder. Mal sehen. Hier. Sie
müssen den Tag mit einem unsympathischen Menschen verbringen. Seien Sie auf der
Hut.»
«Bin ich. Noch was?»
«Ja. Nehmen Sie keine Einladungen an.»
«Ha», machte Mechthild. «Der denkt
wohl, ich bezahle selber! Bei dem Gehalt!»
«So steht’s in den Sternen», sagte ich.
«Aber ich will eine Ausnahme machen, freches Wesen.»
Ich bezahlte, und wir gingen. Dann fuhr
ich eine Weile herum, bis wir einen Blumenladen fanden. Im Schaufenster hing
zwischen grellen Sträußen aller Art ein gewaltiger Kranz aus schwarzgoldenen
Pappblättern.
«Für jeden Anlaß die passende Blüte»,
sagte ich, als wir eintraten. «Was wollen wir nehmen?»
«Am besten ist ein Topf», antwortete
Mechthild. «Da hat sie länger was davon.»
«Also ein Topf. Und Sie?»
«Ja, ich könnte noch einen kleinen
Strauß— oder nein! Ich hole ihr ‘ne Schachtel Schnapskirschen! Das ist was für
alte Damen! Hat Tante Bertha auch so gern gemocht.»
«Hab schon dran gedacht. Machen wir’s
so.»
Wir erstanden einen Topf mit
gefährlichen Blüten, die mir gänzlich unbekannt waren, obwohl ich in Botanik
eine Eins gehabt hatte. Ich schleppte ihn zum Auto. Mechthild fand ein
Schokoladengeschäft. Als wir die Fahrt zur Burggasse antraten, war es genau
zwei Uhr. Ich fuhr an grauen Häuserzeilen vorbei, an denen die Fenster klein
waren und das Rot der Dächer dunkel und verrußt. An den Giebelfronten
verkümmerten Buchstabenreste von Reklamen für irgendwelches Zeug, das es vor
dreißig Jahren gegeben hatte und längst nicht mehr gab, und dazwischen hingen
Fetzen von alten Wahlplakaten.
‹Freiheit und Brot. Darum Liste vier.›
Das Pflaster bestand aus buckligen
Katzenköpfen.
Ich zockelte hinter einer Straßenbahn
her, hielt an, wenn sie stoppte, und fuhr mit ihr weiter. Die Leute auf den
Fensterplätzen sahen müde und gleichmütig auf uns herunter. Wir passierten eine
Unterführung und mußten abbiegen.
«Ganz schöner Weg», sagte Mechthild
neben mir. «Ist doch ‘ne Leistung, daß sie zu uns kommt, was?»
«Da sehen Sie, was Sie der alten Frau
für Anstrengungen beschert haben», antwortete ich und wich einem Fußball aus,
der gemächlich über die Straße rollte. «Viel Straßenbahn und dann auch noch
laufen.»
«Sie kommt aber gern. Gestern hat sie
wieder von Ihnen geschwärmt.»
«Der Spezialist für Siebzigjährige»,
knurrte ich.
Die Burggasse lief in geschwungenem
Bogen durch ein Gewirr alter Häuser. Sie war schmal und stieg leicht an. Im
zweiten Gang rollte ich an den Hausnummern vorbei.
«Da! Vierundzwanzig!» rief Mechthild.
Es war ein mittelhohes Mietshaus mit
einer Toreinfahrt. Der Putz, der an der Fassade klebte, war ziemlich neu. Offenbar
verwendete der Hauswirt die Mieteinnahmen tatsächlich für das Haus und für
nichts anderes. Unter den Fenstern hingen Blumenkästen.
Wir
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