Fünf Brüder wie wir
Mittleren in ihr Zimmer. Und ihr beiden, Jean Eins und Jean Zwei, wenn ihr nicht mit den Jüngeren spielen könnt, geht ihr jetzt für mich einkaufen. Das wird euch auf andere Ideen bringen …“
Es ist immer dasselbe: Sobald es eine Prinzessin oder einen außerirdischen Mutanten gibt, will keiner diese Rolle übernehmen. Deshalb können wir nie Ritter spielen oder Pioniere im Weltall oder die Episode, in der Thierry la Fronde das Burgfräulein Isabella befreit.
Das ist das Problem in einer Familie mit fünf Jungs.
Aber wenn Helene einmal da ist, dann können wir sie verkleiden und uns vorstellen, sie wäre die Tochter eines Königs, die von Schurken entführt wurde. Dumm ist nur – wie Papa immer betont – dass wir bereits Flaum im Gesicht haben werden, bis sie alt genug sein wird, um mit uns zu spielen …
Zum Glück regnete es gerade nicht.
Mama hatte uns eine Einkaufsliste geschrieben und wir zogen los. Als wir unten aus der Haustür gingen, hatte ich eine Idee: „Und wenn wir schon mal üben, wie man Leute beschattet?“
Wir sind in Richtung Lebensmittelgeschäft losmarschiert und haben nach jemandem Ausschau gehalten, der uns verdächtig vorkam. Die Bürgersteige waren noch nass, und die Leute mit den Einkaufstaschen beeilten sich, nach Hause zu kommen, denn der Himmel verhieß nichts Gutes.
Wir folgten zuerst einem Pfarrer in Soutane bis zum Rex-Kino. Dort blieb er vor den Plakaten stehen, zögerte einen Augenblick, kaufte sich dann eine Eintrittskarte und verschwand ins Innere.
„Hast du Töne?“, rief Jean Eins. „Ein Pfarrer, der sich den neuesten James Bond angucken will!“
„Und wenn er ein verkleideter russischer Spion ist?“, fragte ich.
Die Vorstellung begann gerade, deshalb hatte es keinen Sinn abzuwarten, bis er wieder herauskam, um mehr über ihn rauszukriegen.
Dann suchten wir nach jemand anders, aber weil im Schaufenster des Elektrogeschäfts ein paar Fernseher liefen und gerade Zorro kam, wollte Jean Eins erst mal nicht weiter.
Ich konnte ihn am Ärmel zupfen, so viel ich wollte, er war davon einfach nicht loszureißen. Der Mann aus dem Geschäft trat auf die Türschwelle heraus und fragte uns, was wir da machten und ob wir wohl glaubten, wir könnten bei ihm umsonst fernsehen. Jean Eins wurde etwas pampig: „Wenn Sie nicht wollen, dass die Leute bei Ihnen stehen bleiben und gucken, warum sind die Fernseher dann an?“
„Du kleiner Besserwisser!“, sagte der Mann. „Dir werd ich Manieren beibringen!“
„Sich einen kleinen Jungen mit Brille vorzuknöpfen ist ja wohl nicht schwer“, erwiderte Jean Eins. „Wenn mein Vater dabei wäre, würden Sie sich das nicht trauen.“
Daraufhin wurde der Mann noch wütender, packte Jean Eins am Ohr und fragte ihn nach der Adresse seiner Eltern. Ohne mit der Wimper zu zucken, nannte Jean Eins ihm die Adresse von François Archampaut, meinem besten Freund.
„Sehr gut!“, sagte der Mann und ließ das Ohr von Jean Eins los. „Dein Vater wird von mir hören. Darauf kannst du Gift nehmen.“
Wir rannten davon und lachten uns schief und krumm.
„Das Gesicht, das der Vater von François machen wird!“, spottete Jean Eins. „Da wär ich gern dabei!“
Wir spazierten weiter durch die Straßen. Es wurde dunkel. Wir waren in der Nähe der Markthalle, als es zu regnen anfing. Deshalb stellten wir uns in einer Einfahrt unter, um zu warten, bis der Schauer vorüber war, und da entdeckten wir einen Verdächtigen …
Ein Mann mit einem Regenschirm unter dem Arm stieg aus einem Bus. Er war groß, trug einen grauen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen, hatte einen dicken Wollschal umgewickelt und den Hut tief heruntergezogen, sodass sein Gesicht fast ganz verdeckt war.
Ich zwickte Jean Eins in den Arm. „Da! Der Mann ohne Gesicht!“
Der Verdächtige kämpfte nach dem Aussteigen mit seinem Regenschirm, öffnete und schloss ihn mehrmals, bevor er die Straße entlang davonging. Ein alter Trick unter Spionen, um einem Komplizen mitzuteilen, dass die Luft rein ist!
Mir stockte das Blut in den Adern.
„Schnell, lass uns ihn verfolgen!“, rief ich.
Wir stürmten hinterher.
Das Schwierigste bei einer Beschattung ist, sich dabei nicht ertappen zu lassen.
Der Verdächtige marschierte mit entschlossenem Schritt, sodass wir fast rennen mussten. Inzwischen goss es wie aus Kübeln. Wir mussten über Pfützen springen, während wir von Hauseingang zu Hauseingang huschten wie die Sioux-Indianer auf dem Kriegspfad. Die Regenrohre
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