Fünf Brüder wie wir
schütteten uns ihr Wasser in den Kragen und wir waren nass bis auf die Haut. Aber schließlich behauptet ja auch keiner, dass Detektiv ein einfacher Beruf ist.
Ein- oder zweimal hielt der Mann vor einem Schaufenster an und tat so, als würde er die Auslagen bewundern. In Wahrheit aber überprüfte er, ob ihm auch ja keiner folgte.
Danach glaubten wir einen Augenblick lang, ihn verloren zu haben, weil es schon so dunkel war.
Aber nein: Er hatte die Drogerie an der Grand-Rue betreten. Vom Bürgersteig gegenüber beobachtete ich, wie er Plastikhandschuhe zum Geschirrspülen, ein großes Messer und eine Rolle Bindfaden in den Einkaufskorb legte.
„Merkwürdig, sehr merkwürdig“, murmelte ich.
„Lass uns nach Hause gehen“, sagte Jean Eins. „Ich friere und habe nasse Füße. Mir reicht’s mit dem Beschatten.“
„Aber verstehst du denn nicht?“, sagte ich ganz aufgeregt. „Er kauft sich gerade alles, was er braucht, um eine Leiche losuwerden. Er schneidet sie in Stücke, schnürt Pakete zusammen und dann auf Nimmerwiedersehen!“
„Glaubst du wirklich?“, fragte Jean Eins.
Wir hatten gerade noch Zeit, uns hinter einem geparkten Auto zu verstecken. Der Mörder ohne Gesicht verließ die Drogerie und ging mit großen Schritten Richtung Stadtmitte. Die Einkäufe hatte er unter den Arm geklemmt.
Die Verfolgung hätte noch ewig weitergehen können. Da wechselte der Mann vor dem großen Kaufhaus auf einmal die Straßenseite und verschwand durch die Drehtür nach drinnen.
Bis wir es ebenfalls durch die Drehtür geschafft hatten, war er verschwunden.
Wir rannten los, aber kurz vor Ladenschluss waren so viele Leute unterwegs und außerdem gab es auch noch die Sonderangebote der „Weißen Wochen“, da war es unmöglich, ihn wiederzufinden.
„Ein alter Trick“, sagte ich außer Atem. „Im Kaufhaus gibt es einen Hinterausgang, bestimmt hat er den benutzt, um uns zu entkommen.“
„Du machst wohl Witze“, sagte Jean Eins. „Wir haben doch alle Tricks angewandt. Er konnte uns nicht entdecken!“
„Hab ich euch, ihr Bürschchen!“, donnerte da eine Stimme hinter uns.
Ich stieß einen Schrei aus. Der Mörder ohne Gesicht tauchte auf einmal aus seinem Versteck hinter einem Ständer mit Herrenhosen auf. Bevor wir Zeit hatten, auch nur einen Japser zu machen, hatte er uns schon alle beide am Kragen gepackt und schüttelte uns wie Pflaumenbäume.
„So einfach kommt ihr mir nicht davon! Das wird euch eine Lehre sein! Was bildet ihr euch denn ein, Leute auf der Straße einfach so zu verfolgen?“
„Lassen Sie mich los!“, schrie ich und boxte und strampelte wie der Teufel.
„Nicht bevor ihr mir erklärt habt, was ihr da im Schilde führt!“, donnerte der Mann, ohne seinen Griff zu lockern.
Vor lauter Zorn war ihm der Schal verrutscht und ich konnte sein Gesicht erkennen. Er trug eine schwarz geränderte Brille.
Jean Eins krächzte verdutzt: „Herr Martel?“
„Jean Eins?“, fragte der Mann wie ein Echo zurück. „Sehe ich recht? Was zum Teufel hat dich denn da getrieben?“
Seine Faust öffnete sich plötzlich. Ich bekam jetzt erst recht einen roten Kopf.
„Herr Martel?“, fragte ich ebenfalls.
Große Katastrophe! Der Mörder ohne Gesicht war kein anderer als der Lehrer, den Jean Eins in der vierten Klasse gehabt hatte!
Meine nassen Zehen verkrampften sich in den Schuhen, als ich eine Erklärung stammelte: „Wir haben Sie nicht erkannt … weil es so stark geregnet hat … Jean Eins und ich haben einen Detektivclub gegründet … und … das heißt … wir dachten …“
Herr Martel ist schrecklich streng. Er trägt ein Halstuch und zieht den Schülern die Ohren lang, wenn sie beim Dividieren Fehler machen. Einmal musste Stéphane Le Bihan sechshundert Zeilen schreiben, weil Herr Martel ihn dabei erwischt hatte, wie er Papierkügelchen nach vorn an die Tafel warf. Oje, das würde jetzt was setzen!
„Einen Detektivclub, tatsächlich?“ So etwas wie ein Lächeln huschte über Herrn Martels Gesicht. „Und was habt ihr geglaubt, mit wem ihr es zu tun habt?“
„Ja, also … das heißt …“, setzte Jean Eins an. „Jean Zwei ist schuld … wegen der Handschuhe und der Schnur … Er hat gedacht, dass Sie …“
Sein Mund ging zu und wieder auf, aber es kam kein Wort heraus.
„I-ich hab das mal in einem Buch gelesen“, stotterte ich. „D-dass man das braucht, um … ähm … um eine L-Leiche loszuwerden … also, wenn man …“
„Aha“, sagte Herr Martel und
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