Fünf Brüder wie wir
meiner Geheimschublade liegt sogar ein Gummiknochen für den Hund, den ich einmal haben werde. Ich habe auch schon eine Liste mit Namen vorbereitet: Dagobert, Rex, Prinz, Fiffi … Hängt alles davon ab, wie er aussieht.
Ich mag es, an meinen Hund zu denken und mir alle möglichen Spiele auszumalen, die wir miteinander spielen können. Aber gleichzeitig macht es mich traurig, weil Papa und Mama keinen Hund wollen. Sie sagen immer, dass wir schon genug sind und nicht noch ein Haustier brauchen. Fünf Kinder, bald sechs, außerdem noch eine Schildkröte und ein Meerschweinchen, das reicht. Unser Zuhause sei doch kein Zoo.
„Es ist aber für unsere Entwicklung wichtig“, versuche ich ihnen klarzumachen. „Wenn Kinder in unserem Alter sich um ein Tier kümmern müssen, stärkt es ihr Verantwortungsgefühl und fördert eine günstige Entwicklung ihres Gefühlslebens. Das steht so in meinem Buch. Der Hund wird immer der beste Freund der Kinder sein.“
„Jaja, ich weiß schon genau, wie das laufen wird“, antwortet dann Papa. „Am Anfang wollen sich alle um ihn kümmern und danach bleibt es an mir hängen, mit ihm Gassi zu gehen. Ich hab mit fünf Kindern schon genug.“
„Aber nein, Papa, wenn ich dir doch schwöre, dass ich mich um ihn kümmere!“
„Außerdem“, sagt Mama, „ist es ein Verbrechen, in einer Wohnung einen Hund zu halten. Der Arme würde sich den ganzen Tag langweilen.“
Das macht mich immer fertig. Warum wohnen wir nicht in einem Haus mit Garten wie François Archampaut?
Der Hund von François Archampaut heißt Semiramis de la Trouillère. Für einen Hund ist das ein komischer Name, aber François sagt, dass er deshalb so heißt, weil sein Stammbaum bis zu den karolingischen Königen zurückreicht. Es ist ein winziger Chihuahua mit Schleifchen auf dem Kopf und einem Diamanthalsband. Der Chauffeur fährt ihn jeden Tag in dem Citroën DS 19 der Archampauts spazieren, wo er auf dem Beifahrersitz auf einem Seidenkissen thront. François Archampaut sagt, dass Semiramis de la Trouillère nur aus einem goldenen Napf essen kann. Wenn er das nicht tut, bekommt er eine allergische Reaktion.
Jean Eins behauptet, dass der Hund größere Scheißhaufen macht als François Archampaut, aber das sagt er nur, weil er eifersüchtig ist.
„Weißt du denn schon“, erzählte François, „dass Semiramis in der Polizeihundeschule von Scotland Yard war? Zugegeben, er ist klein, aber er kann jeden Einbrecher überwältigen, auch wenn der bis an die Zähne bewaffnet ist. Beinahe hätte er auch in einer Fernsehserie mitgespielt, aber man hat dann keinen Hund gefunden, der für ihn in Actionszenen den Stunt hätte machen können.“
Daraufhin war Jean Eins erst mal still, weil wir keinen Fernseher haben und er das nicht überprüfen konnte.
Eines Tages haben wir dann am Eingang unseres Mietshauses einen Hund gefunden. Er war winzig klein und hatte um das rechte Auge einen schwarzen Fleck. Keine besondere Rasse, sondern eine Promenadenmischung. Ein tapsiger, ungelenker Welpe, der neben den Mülleimern herumschnüffelte.
Die Idee stammte von Jean Drei: Weil Papa und Mama keinen Hund wollten, könnten wir ihn doch einfach heimlich haben, nur für uns.
„Einverstanden“, sagte Jean Eins, „aber er gehört mir.“
„Kommt nicht infrage“, sagte Jean Drei. „Ich hab ihn zuerst entdeckt.“
„Ich hab ein Buch über Hunde“, sagte ich. „Ich bin der Einzige, der weiß, wie man sich richtig um ihn kümmert.“
Wir stritten uns eine Weile und dann beschlossen wir, dass er uns allen dreien gehörte. Wir steckten ihn in meinen Schulranzen und schmuggelten ihn in die Wohnung.
Glücklicherweise war Mama mit Jean Vier und Jean Fünf gerade einkaufen. In der untersten Schublade des Schreibtischs richteten wir dem Hund ein gemütliches Lager ein, in einem kleinen Korb, in dem früher mal kandierte Früchte gewesen waren. Weil er nicht stillhalten wollte, verbrachten wir den Rest des Nachmittags auf allen vieren, krabbelten hinter ihm her, fischten ihn unter den Betten hervor und spielten mit ihm.
In weniger Zeit, als man braucht, um die folgenden Zeilen zu lesen, zerfetzte er dabei: eine Socke von Jean Drei, den Spirou -Sammelband, 674 Seiten dick, den ich zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, eine ganze Packung Gummibärchen, einen Superflummi und den Duschvorhang. Es war einfach großartig!
Nacheinander standen wir an der Tür Schmiere und als Mama mit den Kleinen nach Hause kam, saßen wir alle
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