Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Glück, dass sie auf dem Land geblieben ist und dass sie nicht in Plymouth oder anderswo Quartier bezogen haben, wo seine vorgesetzten Offiziere das mitbekommen würden.«
»Und ihre Frauen!«
Penelope beschloss, Evangeline noch heute zu schreiben. Sie würde ihr unmissverständlich klarmachen, dass sie sich Richard zuliebe endlich zusammenreißen musste. Sie musste sich ihrer Pflichten bewusst werden und sich darauf einstellen, eine evakuierte Mutter und ihr Baby aufzunehmen.
Ein wütender Schrei von Johnny brachte Penelope unvermittelt in das schäbige Wohnzimmer und zu ihrer Liste mit den Unterkünften zurück. »Also wirklich, Mrs. Zayman, für uns ist es ausgesprochen mühsam, wenn Mütter wegen ihrer Unterschrift solch ein Theater machen.« Penelopes Ton wurde schärfer. »Und zu Ihrem eigenen Besten sollte ich Ihnen wohl besser mitteilen, dass in der Regierung die Rede von einer Internierung deutscher und österreichischer Staatsbürger ist, also, an Ihrer Stelle würde ich unverzüglich unterschreiben, es sei denn, Sie würden eine Internierung vorziehen.«
»Internierung?«, fragte das Mädchen und schaukelte das schreiende Baby auf dem Arm.
»Ein Lager, in dem Leute während des Krieges bleiben müssen.«
»Und wenn ich dieses Papier unterschreibe, komme ich nicht in ein Lager?«
»So ist es!«, blaffte Penelope und hielt ihr einen Stift entgegen. Sie bekam allmählich Kopfschmerzen. »Und übrigens kommen Sie in ein sehr hübsches Haus in Sussex, viel besser als das, womit Sie normalerweise rechnen können. Sie sollten sich glücklich schätzen.«
Zwei Tage später kam Rabbi Cohen und brachte Tanni zur Victoria Station. Er versprach, dass sie das Komitee der Damen sofort benachrichtigen würde, wenn sie ihre Schwestern gefunden hätten. »Mach dir keine Sorgen, Berthe und Rachel kümmern sich darum.« Er sagte ihr, Bruno wisse, wo sie sich aufhalten werde und heiße es gut, dass sie aufs Land zog. Er und Tante Berthe hatten darüber gesprochen und waren zu dem Schluss gekommen, dass es eine gute Idee sei, wenn sie London verließ, vor allem weil das bedeutete, dass sie dann keine Internierung zu befürchten hätte. Mit freundlicher, aber ernster Stimme erinnerte er sie daran, dass sie Ehefrau und Mutter war. Sie musste versuchen mit der neuen Situation zurechtzukommen und das Beste daraus zu machen. Brunos Arbeit war sehr wichtig und eines Tages würde sie das verstehen. Nun musste sie für Johnny sorgen, selbst gesund bleiben und sich nicht entmutigen lassen. Tanni nickte und versprach es und versuchte dabei zu verbergen, wie elend sie sich fühlte. »Gutes Mädchen!«, sagte der Rabbi.
7
Ost-London,
Ende August 1939
Der Mann, der die Miete für die schäbigen zweigeschossigen Häuser in der North Street, nicht weit vom Londoner Hafen, einsammelte, drehte seine Runden immer montags, am Waschtag, wenn die Hausfrauen ganz gewiss zu Hause waren. Diejenigen, die die Miete fertig abgezählt bereithielten, sahen genau zu, wenn er das Geld zählte und den Betrag in seinem kleinen Buch notierte. Dann schlossen sie erleichtert die Tür hinter ihm. Diejenigen, die die Miete nicht in voller Höhe bezahlen konnten, überlegten verzweifelt, welche Entschuldigung sie vorbringen sollten, damit er die Zahlung auf die nächste Woche verschob.
Als es an der Tür klopfte und Mrs. Pigeon ging, um zu öffnen, war ihr Gesicht voller Sorgenfalten. Die Kinder im Raum hinter ihr hielten die Luft an. Ihr Dad musste schon wieder herausgefunden haben, wo sie das Geld für die Miete aufbewahrte. Wenn er es in die Finger bekam, verschwand er in Windeseile ins Wirtshaus oder zum Hunderennen, während die Kinder sehen konnten, wo sie etwas zu essen herbekamen. Dann kam er spät in der Nacht nach Hause, mit beschämtem Gesichtsausdruck und schwankendem Gang. Meist gab es lauten Streit, ab und zu hörte man auch eine Ohrfeige. Und am nächsten Tag durchsuchte Mum das Haus von oben bis unten, in der Hoffnung,etwas zu finden, was sich noch bei Onkel verpfänden ließe. Viel war nicht mehr übrig.
Als Mum öffnete, starrten sie alle mit offenem Mund die Gestalt auf der Türschwelle an. »Das ist doch nicht der Mann mit der Miete, im Leben nicht!«, rief eines der Kinder. Vor ihnen stand eine Dame, die so angezogen war wie die Queen auf den Fotos in der Zeitung: Sie trug ein schickes Kostüm, einen Hut, an dem hinten kleine braune und rote Federn steckten, und das Haar unter dem Schleier war schön frisiert. Sie hatte Handschuhe
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