Fünf Hunde im Gepaeck
sie kein Interesse mehr an einer Verfolgungsjagd hatten. Schließlich hatten sie ihren Job erledigt. Sie spielten Tauziehen mit ihrer Beute und stießen dumpfes Grollen aus. Als sie das Tuch endlich in der Mitte durchgerissen hatten, hockten sie sich hin, um es in Ruhe zu verspeisen.
»Das Wetter wird ziemlich ungemütlich«, sagte Colin und schlug seinen Kragen hoch. »Wir suchen uns mal lieber einen Unterschlupf und versuchen es morgen früh weiter. Die Hunde nehmen die Spur bestimmt wieder auf.«
»Was für einen Unterschlupf?«, fragte Sprocket leicht beunruhigt.
Sein Unbehagen war gerechtfertigt. Eine halbe Stunde später gelangten sie an eine Schutzhütte. Sie bestand nur aus vier Wänden, einem undichten Dach und einem von Schafskötteln übersäten Boden. Der Wind pfiff durch die Risse in den Wänden, Wasser tropfte von der Decke.
Kevin und Colin schien das nicht weiter zu stören. Sie zogen ihre Flachmänner mit Whisky heraus, rülpsten, erzählten dreckige Witze, und als sie so richtig betrunken waren, schliefen sie ein.
Doch der arme Sprocket fand keinen Schlaf. In sein Jackett gewickelt hatte er sich in eine Eckegekauert. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so elend gefühlt. Er hatte als Notration ein paar Kekse in der Tasche, doch jedes Mal, wenn er einen herausziehen und essen wollte, erschien einer der Hunde und hielt mit den Zähnen Sprockets Handgelenk umklammert, bis er den Keks fallen ließ.
Während die Stunden vergingen und der Regen auf das morsche Dach prasselte, versuchte Sprocket sich, so gut es ging, bei Laune zu halten. Wenn er den Jungen heil zurückbrachte, würde Curzon ihn vielleicht ab und zu nach oben kommen lassen oder ihm sogar ein Büro neben der hübschen Fiona geben. Vielleicht wäre er dann auch endlich in der Lage, einen passenden Reim auf Toilette zu finden.
Doch im Laufe der Nacht zerplatzten Sprockets Träume. Er hörte, wie sich einer der Hunde in der Ecke der Hütte übergab, und im Schein der Taschenlampe erkannte Sprocket die ausgewürgten Reste des blauen Handtuchs und daneben, mit Schleim bedeckt, aber unverkennbar seinen heiß geliebten Schnauzbart.
Henry und Pippa stolperten durch die regnerische Nacht und wären über eine fensterlose, undichte Hütte heilfroh gewesen. Sie befanden sich mitten im Moor und wussten nicht weiter.
Sie hatten sich nach dem Stand der Sonne gerichtet und waren zuerst auch gut vorangekommen. Eigentlich wollten sie die Küste vor Einbruch der Nacht erreicht haben. Doch dann war das Wetter umgeschlagen, die Sonne verschwunden und es kamen Dunkelheit und Regen.
Pippa und Henry waren Großstadtkinder und völlig überwältigt von der Schwärze der Nacht. In London wurde es nie völlig dunkel. Aber es war nicht nur die Abwesenheit von Licht, die sie ängstigte. Eine feindliche Macht schien sie am Weitergehen hindern zu wollen und der Regen kam auch nicht etwa nur von oben, sondern von allen Seiten, getrieben vom unermüdlich pfeifenden Wind. Das Wasser lief in ihre Anoraks und durchweichte ihre Schuhe. Dazu litt Henry noch unter den Nachwirkungen eines Schocks. Die Stunde, die er eingesperrt in Kevins Schuppen verbringen musste, hatte ihm mehr zugesetzt, als er gedacht hatte.
Inzwischen war er sicher, dass sie das Haus seiner Großeltern nie erreichen würden.
»Wenn wir jetzt Rast machen, sterben wir bestimmt an Entkräftung«, sagte Pippa. »Ich hab nie verstanden, was das heißen soll, aber jetzt weiß ich es.«
»Wir sterben auf jeden Fall, egal, ob wir weitergehen oder nicht«, murmelte Henry.
Sie stolperten weiter über Geröll und durch Bachläufe, die auch nicht viel nasser waren als der Boden unter ihren Füßen. Die treuen Hunde folgten ihnen. Li-Chee, der ohne sein Fell schrecklich fror, stieß Laute der Verzweiflung aus, die nicht sehr löwenhaft klangen, und als Pippa ihn hochhob, vergrub er seine Schnauze in ihrer Jacke. Die anderen trotteten tapfer vorwärts, allen voran Fleck. Seit er Henry aus Kevins Klauen befreit hatte, schien er über sich selbst hinausgewachsen zu sein.
Die Hunde behielten sich stets im Blick. Wenn einer von ihnen in der Dunkelheit verschwand, warteten die anderen auf ihn.
Als die Kinder einen Lichtschimmer entdeckten, glaubten sie zuerst an eine Halluzination. Sie wussten, dass Menschen, die am Ende ihrer Kräfte waren, oft Dinge sahen, die es nicht gab. Doch das Licht war wirklich. Es wurde stärker, und als sie näher kamen, sahen sie, dass es die erleuchteten Fenster eines großen
Weitere Kostenlose Bücher