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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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yellow feathers in her hair«, singt meine Mutter zaghaft weiter, hört überrascht, wie kräftig ihre Stimme geworden ist, während sie sie all die Jahre unter Verschluss gehalten hat. Die Töne schwellen in ihrem Hals an, kommen laut und klar zwischen ihren Lippen hervor, »across a crowded floor, they worked from eight to four.«
    Aus den Augenwinkeln erkennt sie Nadja, die in die Hände klatscht, während sie selbst immer sicherer auf den Refrain zusteuert, »they were young and they had each other, who could ask! For! More! At the Copa  … « Durch die Gitarrenklänge hindurch hört sie, wie jemand »Co!« hinterher ruft, »Copacabana!«, sieht Schnuckiputzi aufgeregt um sie herumtanzen. Wieder wird ihr schwindelig. Aber statt sich dagegen zu wehren, beginnt sie, sich mit dem Raum mit zu drehen. Wie ein Kreisel fliegt sie herum, schlägt sich auf ihr Kleid, das in die Luft flattert, wiegt sich im Takt der Musik, und dann sieht sie plötzlich auch Alex, wie er sie entgeistert, begeistert, bewundernd anschaut, während sich ein Arm um ihre Hüfte legt, sie nach oben auf den Tisch zieht. Eine Sekunde lang reißt das Geschrappel ab, dann spielt Schnuckiputzi hinter ihr stehend weiter. Die Kellner zu ihren Füßen beginnen ebenfalls zu klatschen. Meine Mutter wird noch lauter, singt sich in Höhen und Tiefen, von denen sie keine Ahnung hatte, dass sie sie erreichen könne. Ihre Stimme stürmt davon, schlägt Purzelbäume, Saltos, lässt sich kaum wieder einfangen, als Schnuckiputzi endlich doch leiser wird und sie, die Hand an der Hüfte, »don’t fall in love!« haucht. Sie dreht den Kopf zu Alex, formt die Worte noch mal mit den Lippen wie ein tonloses Echo. Dann hört sie nur noch Grölen.
    »Schnuggi! Buudsi!«, ruft Schnuckiputzi, »tu és maravilhosa!«
    Ihre Füße stoßen gegen das Backblech, während er sie vom Tisch hebt und neben Alex absetzt.
    »Swisda«, ruft Nadja, »du …«, sie schnippt mit den Fingern, »du Star, groß Star!«
    Meine Mutter lässt sich gegen die Lehne fallen, greift nach ihrem Glas, während Schnuckiputzi die Flasche vom Tisch fischt. Aber außer einem letzten, müden Tropfen kommt nichts mehr heraus. »Muss hole neu«, sagt er.
    Meine Mutter holt tief Luft. » KUCHNJE ! Dawai!«, brüllt sie, ohne nachzudenken, genauso tief und fordernd wie Alex zuvor.
    Er dreht sich zu ihr, lächelt sie eine halbe Sekunde lang fast genauso so schön an, wie seine Anna auf dem Foto.
    Der asiatisch aussehende Junge holt eine neue Flasche von der Bar und schenkt meiner Mutter ein, während Nadja mit hüpfendem Oberkörper »Kalin, Ka-ka-lin, Ka-ka-lin, Ka-ma-ja« ruft. Die andern Russen stimmen mit ein, übertönen einander, bis sie so einen Lärm machen, dass meine Mutter »Was?« rufen muss, oder kann, denn im Grunde hat sie ihn schon beim ersten Mal verstanden. Seine Lippen kommen so nah an sie heran, dass sie ihr Ohrläppchen berühren, während er noch mal »heiß« flüstert.
    Meint er jetzt, dass ich verschwitzt bin, oder etwas anderes, denkt sie, ja etwas anderes , genauer kann sie diese Möglichkeit noch nicht mal denken, aber schon im nächsten Moment begräbt das gleichmäßige Stampfen auch diesen Gedanken unter sich.
    Meine Mutter singt mit, füllt die Stellen, in die weder ein »ka« noch »lin« passt, mit irgendwelchem Kauderwelsch. Sie schaukelt auf dem Stuhl, drückt die Lehne nach hinten, brüllt regelrecht, bis sie völlig außer Atem ist und Schnuckiputzi beginnt, ein etwas ruhigeres Lied zu spielen, ein portugiesisches Volkslied, wie er sagt. Aber wenn es nach ihm geht, ist jedes portugiesische Lied ein Volkslied. Das behauptet zumindest wieder Alex. Und der Schwarze, der sich, jetzt endlich etwas zutraulicher, als Romão vorstellt, was aus seinem Mund wie das Miauen einer rolligen Katze klingt, Rrromaaao, kann Schnuckiputzis Aussage weder stützen noch widerlegen. Er kommt nämlich aus Uganda. Nein, Angola, natürlich Angola, ehemalige portugiesische Kolonie, »das weiß man doch! Hast du in der Schule eigentlich überhaupt mal aufgepasst?« Das alte Mädchen wickelt ihre Arme um seinen Nacken, hängt wie eine Toga schräg über seinen Bauch, während er meiner Mutter erzählt, wie, oder in Anbetracht des Krachs vielleicht auch nur dass er vor einigen Jahren auf der Suche nach Arbeit nach Portugal gekommen und dann irgendwie in Berlin gelandet sei. »Hab diesen beiden hier den Job verschafft«, ruft er und klopft sich mit den Fäusten auf die Brust, während er von Alex zu

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