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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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feucht wurde. Dann spürte sie plötzlich seine Hände an ihren Fußknöcheln.
    Er nahm ihre Unterschenkel über Kreuz, warf meine Mutter mit einer einzigen Bewegung auf den Rücken, als würde er einen Pfannkuchen wenden.
    »Morgen«, flüsterte er und drückte seinen Zigarettenmund auf ihren, während er sie nach oben zog, so abrupt, dass sie fast das Gleichgewicht verlor. Er zerrte ihr das Kleid vom Kopf, klackte den BH auf, ohne die Spitze zu würdigen. Meine Mutter schwankte zur Seite, merkte, wie ihr vom schnellen Hochkommen schwarz vor Augen wurde, wollte ihn schon bitten, kurz anzuhalten. Aber da sah sie seine gelben Augen, die so gierig über ihren Körper glitten, dass sie sich schnell lang machte. Sie streckte die Arme nach oben, wühlte sich in den Haaren, als würde sie vor lauter Geilheit den Verstand verlieren, versuchte, die ganzen andern Frauen, mit denen er womöglich schon hier war, zu überficken, während sie immer wieder ängstlich zu ihm schaute, um sicherzugehen, dass er auch nicht wieder einschlief. Aber diesmal schien ihm ihr Auftritt zu gefallen. Die Finger in ihre Pobacken gekrallt stieß er sein Becken auf und ab, riss ihren Kopf nach hinten, grapschte plötzlich nach ihrem Morgenmantel. Er zog grinsend den Gürtel heraus, wickelte ihn um den Bettpfosten, hielt sie fest. Und meine Mutter? Wollte sich so sehr aus sich befreien, dass sie sich bereitwillig fesseln ließ.
    Ihr Blick ging ein Stück an mir vorbei, heftete sich irgendwo ins Leere, wo er Raum hatte, die staubigen Bilder wieder auseinanderzufalten. Aber die Zeit, die sie sich nahm, die Worte in ihrem Mund anzuwärmen, änderten nichts an der Kälte, die ihnen innewohnte, an der Brutalität, konnten den Widerspruch zwischen dem Wie und dem Was nicht auflösen.
    Anfangs fragte ich mich oft, warum sie mir das alles erzählte. Warum musste ich das wissen? Warum sollte überhaupt irgendjemand so etwas über seine Mutter wissen?
    Aber je weiter ihre Geschichte voranschritt, desto mehr begriff ich, dass es vor allem diese Stellen waren, die, die man ihr nicht zutrauen wollte, die sie erzählen musste, die sie laut aussprechen musste, um sich zu vergewissern, dass sie sich die Frau, die all die Jahre nur in ihrem Gedächtnis weitergelebt hatte, nicht nur ausgedacht hatte. Um zu überprüfen, ob die Vergangenheit auch der Wirklichkeit Stand halten würde. Mein Zuhören sollte ihre Erinnerung beglaubigen. Und ich tat ihr den Gefallen. Stempelte ihr alles ab, jede einzelne Szene. Wie sie sich in den Schlingen wand. Wie sie schrie. Wie ihr Kopf gegen den Bettrahmen stieß, während sein Grinsen über ihr immer schiefer wurde.
    Erst danach, als sie neben ihm lag, sah sie die aufgerissene Kondomverpackung, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, dass er eines angezogen hatte. Sie hob den Kopf, folgte seinem Haar, das wie ein Wegweiser zwischen seine Beine führte, sah tatsächlich den Ring um seinen Penis. Aber das Gummi darüber war zu nassen Fetzen zusammengerollt.
    »Ach herrje!«, rief sie aus.
    Alex öffnete die Augen und schaute an sich herab. »Ah, gerissen?«, fragte er, anscheinend weder besorgt, noch sonderlich interessiert.
    Meine Mutter schüttelt verwirrt den Kopf. »Das kann einfach so reißen?«
    »Kommt schon vor«, murmelte er und wischte sich übers Gesicht, »wenn’s heftig hergeht.«
    »Ach, war das denn so heftig?«, fragte meine Mutter mit klopfendem Herzen.
    Alex zuckte die Schultern. »Schon.«
    »Ist dir das denn schon mal passiert?«
    »Kann schon sein, vielleicht ein-, zweimal.«
    »Ach, dann ist das also ganz normal?«
    Alex grinste. »Keine Sorge, Buba, du bist die Beste.«
    Meine Mutter zuckte zusammen, »ich äh, ich hab nicht, also nicht weil  … «, stammelte sie, drehte den Kopf zur Seite. Aber diesmal kam er ihr nach. Seine Finger strichen ihr das Haar aus der Stirn, fuhren an ihren Ohrläppchen hinab und wieder hinauf, wie auf einer Schaukel.
    »Ich hab Hunger«, sagte er endlich und löste die Knoten um ihre Handgelenke.

    Sie liefen an den Geschäften entlang, plauderten über nichts, aber das war schon ziemlich viel im Vergleich zu sonst.
    »Danke für alles«, entfuhr es ihr, als sie an einer Ampel warteten, so leicht fühlte sie sich mit einem Mal. Erst als er nichts erwiderte, bekam sie Zweifel, ob sie sich damit vielleicht doch zu weit vorgewagt hatte und schob »ich mein nur, weil du mich gestern so lieb beruhigt hast, wegen meiner Prüfung und so« hinterher.
    Alex nickte.
    »Ich weiß gar

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