Fünf Kopeken
schlagen aus.
Was war denn nur mit ihr los? Wie in aller Welt hatte sie denn den Helm vergessen können? Den perfekten Spion, nur ein Stockwerk entfernt?
»Hast du etwas zu ihm gesagt?«, fragte sie mit abbrechender Stimme.
Alex zog die Brauen zusammen. »Was soll ich denn zu ihm gesagt haben?«
»Ach, äh, nichts«, stammelte meine Mutter, und »nur so«, während sie sich eilig an ihm vorbeischob und die Tür schloss, als fürchte sie, der Helm könne jede Sekunde zurückkehren. Und dann offenbar auch gleich versuchen, gewaltsam in die Wohnung einzudringen. Zumindest legte sie die ganzen Schlösser meiner Großmutter vor, war gerade dabei, die Eisenkette mit zitternden Fingern in das Scharnier zu friemeln, als sich seine Hände auf ihre Hüfte legten.
Als habe er nur darauf gewartet, dass sie wieder ihre üblichen Plätze einnähmen, sie an der Tür, er im Inneren, umarmte er sie von hinten und schmiegte sein Gesicht an ihren Nacken.
»Mmm«, machte er und sog hörbar die Luft ein. Seine Nase streifte ihr Ohrläppchen.
Meine Mutter bog sich in seinen Armen zur Seite. »Essen ist gleich fertig.«
»Das hab ich nicht gemeint«, raunte er und kratzte ganz leicht mit den Zähnen über ihre Halsschlagader. Er schob seine Hand auf ihren Oberschenkel, ließ sie langsam nach innen wandern. Die Kette fiel klirrend gegen eins der andern Schlösser, während meine Mutter noch erschrocken oder schon erregt nach der Klinke griff. Ihre Finger krallten sich um das kühle Kupfer, als sie auf einmal den weißen Hemdsärmel auf ihrem Bauch sah, die schwarzen Hosen, die zwischen ihren eigenen Beinen durchblitzten. Verwirrt drehte sie sich um.
»Du hast doch gesagt, heute ist dein freier Tag«, sagte sie, lauter, als sie wollte.
»Ja, war’s auch«, antwortete er und lächelte tatsächlich zerknirscht, »aber ich hab mich von Schnuckiputzi bequatschen lassen, doch für ein paar Stunden reinzukommen. Er hat kurzfristig eine riesen Feier reingekriegt. Vierzig Leute. Irgendwelche Promis dabei, kann sogar sein, dass die Presse aufkreuzt.« Er verzog den Mund. »Aber bis zehn gehöre ich ganz dir.«
Meine Mutter schaute auf die Uhr. Es war kurz vor neun.
»Dann, äh, dann essen wir mal lieber gleich, nicht, dass du zu spät kommst«, sagte sie und lief in die Küche. Sie riss den Schrank auf, zerrte so ungeduldig einen Topf heraus, dass ihr der halbe Inhalt entgegenkam. Wieder stieß sie einen kleinen Schrei aus, aber diesmal war er ernst gemeint.
Alex kam ihr nach. »Ich hab heute an dich gedacht«, sagte er.
»Ach ja?« Sie ließ Wasser in den Topf laufen.
»Ja«, sagte er, »ich bin an deinem Frisörsalon vorbeigekommen.« Er lehnte sich an den Türrahmen. »Ich bin reingegangen, aber du warst nicht da.«
Meine Mutter stellte den Topf auf den Herd, versuchte, sich zu erinnern, ob sie dem Salon wirklich einen Namen gegeben hatte oder er sie nur testete.
»Ich, äh, ich hab mir heute freigenommen, um zu lernen«, sagte sie endlich, »für meine Prüfung.«
»Ah«, machte er.
»Ja«, sagte sie, »in drei Wochen ist es soweit«, und merkte erst in dem Moment, dass das tatsächlich stimmte.
»Ah.«
»Ja, erinnerst du dich nicht?«, fragte sie, mehr sich selbst als ihn, sagte, als er keinerlei Zeichen erkennen ließ, dass er wusste, von was sie sprach, dann aber doch an ihn gerichtet: »Das hab ich dir doch erzählt.«
»Kann sein.« Er rieb sich über die Augen, schob etwas schwerfällig »viel Glück« hinterher.
»Glück ist eine Erfindung von Leuten, die sich einreden müssen, das Schicksal sei schuld an ihrem verpfuschten Leben und nicht sie selbst«, kam es aus meiner Mutter geschossen.
Alex schüttelte den Kopf. »Na, dann halt kein Glück«, brummte er, und endlich: »du, mehr als kochen kann’s nicht.«
Meine Mutter folgte seinem Finger, sah in den Topf, in dem es wild blubberte. Sie rannte zum Tisch, griff nach dem Tablett mit den Pelmeni und schubste sie ins Wasser.
In ihrem Rücken hörte sie Alex näher kommen. »Wo sind wir jetzt noch mal?«
»Äh, im Haus meiner Eltern«, erwiderte meine Mutter, während sie an den Reglern drehte.
»Was?«, rief er, anscheinend völlig überrascht.
Meine Mutter schaute über die Schulter. »Ja, das hab ich dir doch erzählt«, sagte sie wieder und drehte sich ganz herum.
Alex’ Oberlippe sprang zur Nase. »Vielleicht gibst du mir ja später eine Tour.«
»Ähm, äh, klar«, sagte sie und warf einen Blick auf das Rezept, »wie wär’s mit jetzt?«
»Jetzt
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