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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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klingt gut«, antwortete er, was aus seinem Mund so anzüglich klang, dass meine Mutter schnell in den Flur vorauslief, um die Röte in ihrem Gesicht zu verstecken.
    »Also, äh, das ist das Bad«, sagte sie und drückte die angelehnte Tür ein wenig auf. Alex schaute durch den Spalt, lief dann aber doch weiter, am Wohnzimmer vorbei, steuerte zielsicher auf die einzige geschlossene Tür zu. »Was ist hier?«
    »Das Schlafzimmer«, sagte meine Mutter mit belegter Stimme.
    Seine Lippe hob sich so weit, dass die ganze Wange davon nach oben gerafft wurde. Er öffnete die Tür, trat ohne zu zögern ein. Meine ihm eilig hinterherlaufende Mutter sah gerade noch, wie er die Finger in die Matratze drückte, genau wie sie es sich vor ihrem Ausflug ins Hotel ausgemalt hatte, bevor er sich aufs Bett fallen ließ.
    »Ganz schön hart«, sagte er und fasste sich an den Reißverschluss.
    Sie betrachtete seine ungewaschenen Finger, die über die beiden ordentlich gefalteten Decken strichen, sich in die Einbuchtung schmiegten, die meine Großmutter morgens in die Kissen schlug, sodass die Zipfel wie Hasenohren nach oben standen. »In diesem Bett schlafen also deine Eltern?«
    Meine Mutter nickte.
    Er stand wieder auf und kam auf sie zu, strich mit dem Zeigefinger an dem Band ihrer Schürze entlang. Meine Mutter blickte nervös an sich herab, sah seine Hand, die unter den Stoff fuhr, den Knoten löste, sie plötzlich herumriss und rücklings auf die Matratze schubste. Seine Lippen glitten an ihren Schläfen hinab, zu den Schultern, hangelten sich Millimeter für Millimeter an ihrem Ausschnitt entlang.
    »Mmm«, machte er wieder, beziehungsweise behauptete meine Mutter, dass er gemacht habe. Wahrscheinlicher scheint mir, dass sie vor lauter Anspannung über ihre erste richtige Kocherfahrung an die Pelmeni dachte, und sie sich später eine Assoziationsbrücke baute. Mit was sollte sie auch sonst das »warte« und dann »mein Essen!« rechtfertigen, das sich plötzlich aus ihrem Mund stahl.
    »Was?«, fragte er, während er sie weiterküsste.
    Aber meine Mutter ließ die Chance auf einen Rückzieher ungenutzt verstreichen. »Ich muss nach meinem Essen sehen«, sagte sie noch mal, berührte ihn vorsichtig an der Schulter.
    Aber er fuhr schon zurück, vergrub die Finger in den Hosentaschen, während sie, sich sofort wieder selbst verfluchend, von der Matratze kroch.
    »Nicht böse sein«, versuchte sie ihn zu besänftigen, während sie sich wieder die Schürze umband, »ich will doch nur nicht, dass die ganze Mühe umsonst war.«
    »Ja, ja«, sagte er und lief aus dem Zimmer, auf die Küche zu, bog dann aber doch kurz davor ab. »Toilette war hier?«, grummelte er und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten, im Inneren.
    »Ja, äh, ist da«, stotterte meine Mutter mit mehrsekündiger Verspätung, und, »ich mach dann mal alles fertig«, während sie am Bad vorbeiging, mit einem Mal so niedergeschlagen, dass sie selbst die Tatsache, dass er diesmal die Tür hinter sich geschlossen hatte, als verletzend empfand.
    Sie lief in die Küche, schaute in das kochende Wasser, auf dessen Oberfläche jetzt die Pelmeni trieben. Aber so eilig sie es eben noch gehabt hatte, so unbeweglich stand sie jetzt vor dem Herd, starrte auf die Schaumkronen, die sich um die Halbmonde bildeten, bis sie die Schritte im Flur hörte.
    Sie riss den Schöpflöffel vom Haken und fischte die Pelmeni aus dem Wasser, warf sie abwechselnd auf den rechten und den linken Teller, angestrengt bemüht, möglichst mühelos dabei auszusehen, als mache sie so was jeden Tag.
    Aber Alex kam nicht in die Küche.
    »Hallo?«, rief meine Mutter.
    Sie schaute zur Tür hinaus, schob ein wackliges »Essen ist fertig!« hinterher.
    Aber von Alex war weder etwas zu sehen noch zu hören.
    Meine Mutter holte die Schokoladencreme aus dem Kühlschrank, klatschte eilig je einen Löffel voll auf die Teller und lief ins Esszimmer, wo er zu ihrer Erleichterung tatsächlich schon auf sie wartete.
    Und zu ihrem Entsetzen tatsächlich schon die Bilder über dem Tisch entdeckt hatte.
    »Essen ist fertig!«, rief meine Mutter wieder und stellte die Teller auf den Tisch.
    Aber er trat nur noch näher an die Wand heran. »Wer ist das?«
    Das Blut im Kopf meiner Mutter wurde dickflüssig. »Mein Vater und einer seiner Freunde«, antwortete sie, und, weil Alex sie nur fragend ansah, »sie waren zusammen in Kasan, weißt du noch?, in Tatarstan?, in russischer Gefangenschaft?, und eigentlich haben sie nur

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