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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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etwas überrascht, wie sehr meiner Mutter der Verlust meines Vaters offenbar zusetzte. Aber zum Fragenstellen war sie nicht der Typ.
    »Das wird schon«, sagte sie stattdessen, »als ich mit Bern d /Stefan/Thorsten Schluss gemacht hab, dachte ich auch, ich würde es nicht überleben.« Mit einem Eifer, den meine Mutter bisher nicht an ihr gekannt hatte, begann sie, ihr jede ihrer Trennungen nachzuerzählen, versuchte, sie mit dem Wissen um die gleiche Trauer zu trösten, zeigte ihr endlich sogar die Narbe an ihrem Oberarm, von der Nacht, in der sie vor lauter Verzweiflung, von irgendeinem Idioten nicht wiedergeliebt zu werden, ein Messer genommen und sich geritzt hatte.
    »Aber was soll ich denn jetzt machen?«, fragte meine Mutter ungeduldig.
    »Nichts«, sagte Babsi. »Du musst das einfach akzeptieren.«
    »Aber man muss doch irgendwas tun können!«, rief meine Mutter und schlug sich aufs Knie.
    Babsi fuhr ihr über den Arm. »Das Einzige, was du tun kannst, ist dein Leben weiterleben.«
    »Welches Leben?«, sagte meine Mutter und ließ sich auf den Boden sinken, starrte solange und dumpf ins Nichts, dass sie Babsi versprechen musste, »keinen Scheiß zu machen«, bevor die endlich zu gehen bereit war.
    »Leg dich mal ein bisschen hin«, sagte sie, bevor die Tür hinter ihr zufiel.
    Aber der Körper meiner Mutter sträubte sich noch immer gegen Ruhe.
    Als sie sich am Abend vor der Prüfung zwang, meine Großeltern anzurufen, nicht, dass die noch auf die Idee kämen, vorbeizuschauen, war sie seit mehr als 60 Stunden wach. Und natürlich in Wahrheit alles andere als das. So übermüdet, dass sie drei Anläufe brauchte, um zurück aufs Fensterbrett zu kommen, stierte sie mit glasigen Augen in den Innenhof, während meine Großmutter in den Hörer hechelte, als stünde sie gleichzeitig auf dem Heimtrainer.
    »Bist du auch gut vorbereitet?«
    »Klar.«
    »Soll ich dich morgen vielleicht abholen und zur Uni fahren?«
    Meine Mutter presste die Stirn an die Scheibe, um den Kopf oben halten zu können. »Nicht nötig.«
    »Wie du willst«, schnaubte meine Großmutter, sofort wieder beleidigt.
    Meine Mutter betrachtete die aufgestellten Härchen an ihren Knien. An ihren Armen pockte Gänsehaut, obwohl noch immer die Sonne schien.
    »Was du heute Abend noch machst, hab ich gefragt?«, rief meine Großmutter.
    »Äh, ich glaub, noch ein bisschen lernen«, sagte meine Mutter.
    »Jetzt noch? Ich dachte, du bist vorbereitet!«
    »Bin ich auch, ich wollt’ nur noch mal drüberkucken.«
    »Dann geh wenigstens kurz spazieren. In der Brigitte sagen sie, gerade wenn man unter erhöhtem Stress steht, sei Bewegung  … «
    »Das ist eine gute Idee«, unterbrach sie meine Mutter, »ich geh gleich los«, und legte auf, bevor meine Großmutter etwas erwidern konnte.
    Sie zog ihre Schuhe an, ging ganz langsam, wie jemand, dem gerade der Gips abgenommen wurde, den Flur entlang, drehte den Schlüssel. Stand plötzlich vor der Metalltür, eine Hand an der feuchten Wand, weil sie fürchtete, sonst umzukippen, während sie mit der anderen klopfte.
    Dima machte auf, schon in der Anzughose. Sein weißes Hemd stand offen. Im Hintergrund dudelte wie immer der Fernseher.
    »Ich, äh, ich kann meinen Schal nicht finden, also dachte ich, ist er vielleicht hier?«, stammelte meine Mutter und zeigte in die Wohnung.
    Dima folgte ihrem Finger. Er ging zum Telefontisch, hob eine Tasse hoch und hielt sie ihr hin. »Ist dein?«
    »Nein, nein«, sagte meine Mutter. »Ich suche meinen Schal. Scarf?« Sie legte die Hände an den Hals und drückte ihn zusammen, als versuche sie, sich selbst zu erwürgen.
    Dima zog die Tür weiter auf und machte eine ausholende Geste. »Du kuck«, sagte er und lief vor ihr her auf den Perlenvorhang zu. »Jetzt mein Zimmer und Zimmer von Romão. Aber Romão Urlaub Angola. Bei Frau.« Er machte eine Faust und ließ die flache Hand zweimal schnell dagegenschlagen.
    »Mach Baby. Du versteh?«, sagte er und lachte breit, schlug wieder gegen die Faust und, offenbar noch immer die Dechiffrierungskünste meiner Mutter anzweifelnd: »Bumbum!«, woraufhin er wieder lachte. Seine Knopfaugen flutschten in die Höhlen.
    Das Zimmer war genauso unordentlich wie sonst, was meine Mutter ein bisschen freute, weil es schön war, wie sonst denken zu können, ein früher zu haben. Und furchtbar war es natürlich auch.
    Sie ging zum Bett, zog das Kissen hoch, die Decke, eine Zeitung, als könne der Schal, den sie sich gerade ausgedacht hatte,

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