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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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diese faule Pelse niht meha deina Gitarra. Na uhnd? Ist niht Ende von die Welt! Andere Mutter auch hat hübsch Junghe«, rief Schnuckiputzi, als meine Mutter vor lauter Verzweiflung doch noch mal im Restaurant aufkreuzte.
    »Du siehst schon viel besser aus! Richtig rosa Backen haste. Und endlich mal ein bisschen Fett auf den Hüften!«, rief Babsi. »Glaub mir, von jetzt an wird es jeden Tag besser. Noch ein paar Wochen und es ist, als sei nie etwas gewesen.«
    Aber davor fürchtete sich meine Mutter am meisten. Sie wurde richtig panisch, wenn sie sich dabei ertappte, dass sie das Loch in ihrem Bauch eine Sekunde lang vergessen hatte. Dass sie dem Alltag erlaubt hatte, die Trauer lange genug beiseitezuschubsen, um zumindest eine Ahnung davon zu bekommen, wie es sein könnte, über ihn hinwegzukommen.
    Für meine Mutter war die Vorstellung, ihn nicht mehr zu lieben, als würde sie eine wissenschaftliche Formel widerlegen. Wenn sie ihn jetzt nicht liebte, hatte sie ihn nie geliebt. Ein Gefühl, das verschwinden konnte, hatte es nie gegeben, genauso wie die Erde nicht zur Kugel geworden, sondern niemals eine Scheibe gewesen war. Und sie war nicht bereit, ihre Liebe als Irrtum zu verraten. Immer wieder brühte sie ihren Schmerz auf, kratzte die Haut vom Vortag ab und rührte weitere Erinnerungen unter, bis die ganze Suppe in einer neuen Tränenflut überkochte. Aber ihn zu vermissen, war das Einzige, was ihr noch von ihm geblieben war. Das auch noch aufzugeben, war zu viel verlangt.
    Mit all dem Pathos, den es braucht, um eine kleine Affäre überlebensgroß aufzublähen, versprach sie sich, keinen Tag im Leben mehr glücklich zu sein. Und damit sie es auch nicht vergaß, beschloss sie, die Erinnerung an ihn nicht nur in , sondern auch an ihrem Herzen zu tragen.
    Der Juwelier wunderte sich ein bisschen, als sie mit der dreckigen Münze ankam. Ja, aus echtem Silber müsse die Fassung sein, mit einer Kette daran, schön lang, sodass sie bis unter die Kleidung reiche, sagte sie und wartete brav neben den Eheringen, während er im Hinterzimmer ans Werk ging.
    Als sie nach Hause kam, das ungewohnte, kühle Gefühl des Metalls auf der Haut, stand mein Vater vor der Tür und beteuerte schluchzend, er wisse jetzt, was er für einen Fehler gemacht habe, er hätte mehr Verständnis haben müssen, ihre Karriere sei ihr eben wichtig, wie sehr sie ihm gefehlt habe, fehle, ihm immer weiter fehlen werde und er sich sein Leben lang dafür hassen, dass er nicht mehr Geduld gehabt habe.
    Meine Mutter sah ihn an, wie er so vor ihr stand, so elend wie nur irgend möglich. Er tat ihr leid. Vor allem aber tat sie sich selbst leid. Sie schloss die Tür auf, nahm ihn mit ins Schlafzimmer und erlaubte ihm, sie mit seiner Trauer zu trösten. Es war schön. Auf eine Art, wie es mit Alex nie schön gewesen war. Sie hielten sich aneinander fest, schlangen ihre Körper ineinander, während der Schmerz sich wie ein nasses Handtuch von beiden Seiten an sie schmiegte, und für einen Augenblick dachte meine Mutter, dass vielleicht auch das Glück sein könne, dass mein Vater recht habe und sie beide diese »Pause«, wie er sagte, vielleicht einfach gebraucht hatten. Dass sie die Trennung stärker gemacht habe. Ihre Liebe größer. Zumindest seine. Aber doch auch ihre, »nicht wahr, du liebst mich doch noch?«
    »Jetzt stehen wir alles durch«, sagte er und kuschelte sich wieder in »seine« Kuhle.
    Und dann waren ja auch meine Großeltern so froh, ihn wiederzusehen.
    »Arno!«, schrie meine Großmutter, als mein Vater am Sonntag mit zum Essen kam, und: »Mein Gott, hätte ich das gewusst, hätte ich doch was Besonderes gekocht!«
    »Hilde, was du kochst, ist immer besonders!«, sagte mein Vater.
    »Wie geht’s der Frau Mama?«, fragte mein Großvater.
    »Hm, gut, äh«, sagte mein Vater, der, wie meine Mutter erst jetzt erfuhr, tatsächlich in den Westen gefahren und dort die seine besucht hatte.
    »Werden wir sie denn bald kennenlernen? Kommt sie zur Hochzeit? Herrje, wo setz ich sie denn hin? Neben ihren Exmann geht ja wahrscheinlich nicht. Oder doch? Nicht? Wohin denn dann?«, rief meine Großmutter.
    Aber Arno winkte ab. »Ich möchte sie lieber nicht dabei haben«, sagte er und gestand verdruckst, dass das Treffen nicht so verlaufen sei, wie er sich das erhofft hatte. Dabei habe sich seine Mutter durchaus gefreut, ihn zu sehen. Das Problem sei er selbst. »Jedes Mal wenn ich ihr gegenüber saß, konnte ich nur an den kleinen Jungen denken, der sich

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