Fuenf Maenner Fuer Mich
Thiemes „Grauvariationen“ möchte ich nicht mehr missen. Wieder und wieder wies er mich darauf hin, dass das Leben nicht nur schwarz und weiß ist, sondern aus Grautönen besteht. Diese enthalten feine Schattierungen, winzige Abstufungen und Nuancen, die das Herz erfreuen und trösten, wenn man bereit ist, sie zu sehen. Auf diese Sichtweise wäre ich von alleine nie gekommen. Auch das „langsame Treppensteigen, Schritt für Schritt“ ist eine echte Entdeckung für mich. Man müsse nicht immer springen, möglicherweise über große und gefährliche Distanzen, meint er. Man könne auch gefahrlos und in kleinen Abschnitten Höhenunterschiede überwinden. Sein drittes Lieblingsbild „Das Leben ist keine Oper“ hallt oft in mir nach, aber ich habe es nicht ganz verstanden. Irgendwie habe ich den vagen Verdacht, dass mein Leben doch etwas von einer Oper hat …
Seit einigen Monaten spüre ich, dass mein Körper teilhaben will an den Veränderungsprozessen, die in mir vor sich gehen. Das Reden reicht als Ventil nicht mehr aus. Etwas will mit Macht aus mir herausbrechen. Die Atemnot, die ich seit Tag null spüre, ist immer noch da. Mal mehr, mal weniger. Beim Sprechen schnappe ich oft nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Meine Freundinnen haben mich schon darauf angesprochen: „Annette, bist du kurzatmig?“ Ich bitte meinen Psychologen um Unterstützung. Gerade habe ich eine Verlängerung der Therapie bewilligt bekommen. „Kann ich mit den verbleibenden Stunden auch etwas anderes machen?“, erkundige ich mich, „vielleicht Tanztherapie oder Atemtherapie?“ Er verspricht mir, sich zu informieren. Auch ich recherchiere im Internet, frage Freunde und Bekannte, und plötzlich fällt mir ein Faltblatt in die Hände, dessen Titel mich anspricht: „Stimm-Werkstatt“ steht da. Das könnte passen. Eine Werkstatt ist ein Ort der Reparatur. Ein wenig nervös rufe ich an. Wie soll ich mein Anliegen erklären?
Eine tiefe, angenehme Stimme meldet sich. Anno Lauten. Ich entschuldige mich wortreich für mein merkwürdiges Ansinnen und erkläre ihm meine Situation. „Ich habe seit zwei Jahren eine schwere Depression und das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen. Eigentlich weiß ich nicht, was ich genau brauche.“ Er hört sich alles an und sagt: „Ich kann sehr wohl was anfangen mit dem, was Sie schildern. Kommen Sie einfach mal vorbei.“
Die heißeste Nacht
Ich bin mit Tekim verabredet. Seit gestern warte ich auf seinen Anruf, um die genaue Uhrzeit auszumachen. Aber nichts, kein Anruf, keine SM Die Überwachungskamera-Geschichte steckt mir in den Knochen. Ich schwanke zwischen Neugier und Selbstmitleid. Meine Antennen sind in sensibler Bereitschaft.
Bereits um neun Uhr morgens gucke ich aus der sicheren Entfernung meines Büros in seine Rezeption, per Onlinekamera, versteht sich. Seine Mitarbeiterin ist da, Tekim nicht. Ich rede mir ein, dass ich die Wahrscheinlichkeit ausrechnen will, ob er mich am Abend besuchen kommt. Ist doch eine gute Rechtfertigung für meine Onlineüberwachung. Oder ist es Eifersucht? Ist die Blondine jetzt an- und ich bin abgesagt? Mein Herz sticht böse.
Ich gehe zu meinem Therapeuten. Darf ich ihn in all meine Gedanken einweihen? Wenn ich ihm verrate, dass mich ab jetzt alle Männer beschenken und verwöhnen sollen, denkt er vielleicht, ich habe mich für einen Berufswechsel in die Horizontale entschieden. Dabei weiß ich: Prostitution ist nicht mein Ding. Nicht aus moralischen Gründen, ich habe großen Respekt vor dieser Profession. Aber eines ist mir glasklar: Niemand darf etwas von mir verlangen.
Ich möchte geben, weil ich geben will. Fordern, weil ich fordern will. Ich möchte beschenkt werden, weil ich es verdiene. Ich bin ein Geschenk für jeden Mann. Das wusste ich in meinem alten Leben leider nicht. Da waren die Rollen scheinbar vertauscht. Ich bringe Farbe in das Leben „meiner“ Männer. Herzklopfen, Zärtlichkeit und Sex!
„Wertschätzung“, dieses Wort flitzt durch meinen Kopf. Ich fühle mich weder von Tekim wirklich wertgeschätzt noch von Birkensohle oder Kevin. Nur Buddha gibt mir, was meine Seele so dringend braucht: Respekt, Achtung, Aufmerksamkeit „Du bist ein ganz besonderer Mensch“, sagt er. „Du bist nicht allein“, sagt er auch oft. Und Buddha verhält sich entsprechend. Neben ihm bin ich eine Prinzessin, eine Amazone, eine echte Kumpeline.
Tekim hat auch schon betont, dass ich wertvoll für ihn bin. „Ein Sechser im Lotto? Nein, du
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