Fünf: Schwarzwald Thriller 1
nicht mehr in ihrer Wohnung gewesen.
Trotzdem sah sie die frisch glänzenden Blätter ihres Ficus benjaminus auf dem Schreibtisch so deutlich vor sich, als wäre sie in ihrem Schlafzimmer.
Und jetzt, wo sie darüber nachdachte, wurde ihr plötzlich klar, dass es allen ihren Pflanzen ausgesprochen gut ging.
Wer hatte sich in ihrer Abwesenheit darum gekümmert?
Eine Zeit lang saß sie einfach nur da und dachte nach, bis ihr Rücken schmerzte und sie bemerkte, dass sie unbewusst die Luft angehalten hatte.
Eine Windbö blies die Regenperlen auf der Autoscheibe zu einem langen Faden.
Sie sog die Luft ein. Sie wusste nicht, ob diese Beobachtung irgendetwas bedeutete, aber eine innere Stimme sagte ihr, dass die Tatsache, dass es alle ihre Pflanzen so viele Monate ohne Wasser überlebt haben sollten, schlicht und ergreifend unmöglich war.
Ihre Gedanken kehrten zu Darren zurück. Er war vor einer halben Ewigkeit in dem Haus verschwunden. Seit die Hunde unterwegs waren, war es ruhiger geworden. Endlich tat sich wieder etwas. Drei Personen traten aus der Tür heraus. Einer von ihnen war unverkennbar Darren. Er überragte die beiden anderen um beinahe einen ganzen Kopf. Den einen kannte Katrin nicht, aber der andere war eindeutig Siegbert Schulze. Kriminalhauptkommissar Schulze hatte die Leitung der Sonderkommission Emma koordiniert. Für all das gab es nur eine vernünftige Erklärung. Katrin schluckte hart, während ihre Hände sich fest ineinanderkrallten. Es musste wieder ein Kind verschwunden sein. Das war die einzige Erklärung für das Großaufgebot an Polizei, die Hunde, die Hubschrauber, die über ihnen kreisten und das gesamte Gelände mit Infrarotkameras absuchten.
Es passte alles zusammen.
Nur eins passte nicht, und das war Darren, der gerade mit ernster Miene Siegbert Schulzes Hand schüttelte, was dieser mit einem kameradschaftlichen Klaps auf Darrens Schulter quittierte. Was hatte Darren hier zu suchen? Wieso bekam er einen Anruf, wenn die Polizei nach einem vermissten Kind suchte?
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Darren endlich zum Wagen kam.
Mindestens zehn Mal hatte Katrin die Hand am Hebel der Autotür, und mindestens zehn Mal hatte sie sich ab- und doch wieder angeschnallt, als wäre es der Gurt, der sie zurückhielt. Sie musste sich immer wieder klar machen, dass das hier nicht ihr Fall war, dass sie krankgeschrieben war und sie den Kollegen mit ihrem Auftauchen nur unnötige Arbeit machen würde. Kein Polizist mochte es, bei seinen Ermittlungen Zeit für unnötige Erklärungen zu verschwenden, erst recht nicht an Leute, die das genau wissen mussten. Das hier ging sie nichts an und ihre Kompetenzen erlaubten es nicht, sich einzuschalten. Es sei denn, es bestünde der Verdacht, dass es einen Zusammenhang zu ihrem Fall gab.
Nein! Nicht noch ein Kind!
Endlich sah sie Darren in den schwachen Lichtkreis ihres Autoscheinwerfers treten. Das flackernde Blaulicht der vielen Einsatzwagen ließ seine Bewegungen in der Dunkelheit abgehackt aussehen. Sein Körper war gespannt, sein Blick unruhig, als er sich neben ihr auf den Fahrersitz gleiten ließ. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Sein Schweigen weckte in Katrin eine unheimliche Ruhe.
Es war die Ruhe vor dem Sturm, das spürte sie, und sie wappnete sich gegen das, was sie zu hören bekommen würde. Alles war besser als dieses Schweigen. Katrin legte ihre Hand auf seine.
Er kämpfte mit sich, das spürte sie deutlich, und sie war einen Augenblick unsicher, wie sie auf sein Schweigen reagieren sollte. Er nahm ihr die Entscheidung schließlich ab.
»Wir müssen reden, Katrin. Dringend.«
*
Er sog die Luft ein. Er hatte ihn schon gerochen, als er die Wohnung aufgeschlossen hatte: den Duft männlicher Lust, der wie ein schweres Parfüm überall in der Luft lag.
Mit schnellen Schritten durchquerte er den Flur bis zum Schlafzimmer und schaltete das Licht ein.
Er riss die Tür auf und sein Blick glitt über die zerwühlten Laken. Sie hatte es getan. Sie hatte es tatsächlich hier mit ihm getrieben. Seine Gedanken überschlugen sich, er war außer sich vor Wut über ihre Respektlosigkeit, doch dann huschte plötzlich ein Lächeln über sein Gesicht. Warum auch nicht? Er hatte gestern Nacht schließlich auch seinen Spaß gehabt. Grinsend zog er das zerwühlte Bett ab, steckte die Wäsche in die Waschmaschine im Bad und stellte sie an. Er war gespannt, wann sie bemerken würde, dass sie ihre Wohnung
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