Fünf: Schwarzwald Thriller 1
Haut beinahe so blass wie die seiner Mutter.
»Mami hat die Tabletten gestern gekauft«, platzte Uli heraus, offensichtlich froh, helfen zu können.
»Vielleicht hat Mami ja aber noch eine ältere Schachtel Tabletten und hat die, die ihr gestern gekauft habt, in den Schrank gelegt«, gab Josef zu bedenken.
»Nö, bestimmt nicht. Die Mami nimmt die doch schon lange«, winkte Uli ab.
Andreas nickte.
»Stimmt das, Andreas?«
»Mami hat ganz oft Kopfschmerzen.«
Tatsächlich gab es im ganzen Haus keine weiteren Schmerzmedikamente. Josef warf noch einmal einen Blick auf seine Frau, die immer noch stöhnend auf ihrem Bett lag, die Fäuste gegen die Schläfen gepresst. Er wartete nicht länger.
Ihr Hausarzt war innerhalb von zehn Minuten da.
»Die eingenommene Menge Tabletten ist gesundheitlich zumindest nicht bedenklich«, sagte der Arzt und schob sich mit dem Zeigefinger die Brille hoch. »Wir werden ihr nicht auch noch den Magen auspumpen lassen müssen. Ein Teil der Symptome deutet auf einen sogenannten Cluster-Kopfschmerz hin. Vor allem das hängende Augenlid und die starke Schmerzausprägung. Ich habe Ihrer Frau trotzdem schon vor einigen Wochen geraten, eine Kernspintomografie machen zu lassen.«
»Mama ist heute umgefallen.« Andi hatte so leise gesprochen, dass es einige Sekunden dauerte, bis die Bedeutung seiner Worte zu Josef durchdrang.
Andi erzählte, wie Johanna nach dem Einkaufen neben ihrem Auto auf dem Parkplatz zusammengebrochen war. Noch ehe der Junge fertig gesprochen hatte, hatte der Arzt sein Handy gezogen und einen Krankenwagen gerufen.
Die Ärzte hatten bei der Kernspintomografie einen auffälligen, stecknadelkopfgroßen Schatten in ihrem Gehirn festgestellt.
Wochenlang hatten die Ärzte der Uniklinik darüber beraten, ob der Tumor operabel sei oder nicht.
Eine erneute Tomografie vor drei Tagen hatte ergeben, dass Johanna unter einem aggressiven, bösartigen Glioblastom der höchsten Stufe litt.
Und jetzt waren er und die Kinder zu ihr ins Krankenhaus gekommen, um ihr viel Glück zu wünschen. Morgen sollte die Operation stattfinden, um den Tumor zu verkleinern. An eine vollständige Entfernung war nach Auskunft der Ärzte nicht zu denken. Aber wenn sie auf die anschließenden Bestrahlungen gut reagieren würde, könnte sie ein paar Monate gewinnen.
»Geht jetzt, Josef«, unterbrach Johanna seine Gedanken. »Jean-Paul kommt in ein paar Minuten und ich kann heute keine Eifersuchtsdramen gebrauchen.«
»Sicher.« Er beugte sich erneut über sie und küsste noch einmal ihre Stirn. »Ich wünsche dir nur das Beste, Johanna. Das weißt du.«
In ihren Augen blitzte etwas auf, das Josef an die Zeit erinnerte, in der er sich der Liebe seiner Frau noch sicher gewesen war.
»Ich weiß es. Du warst ein wunderbarer Ehemann, Josef. Es lag nicht an dir, dass ich es nicht mehr ausgehalten habe. Heute denke ich, dass ich vielleicht geahnt habe, dass ich nicht so viel Zeit haben werde wie die meisten anderen, wer weiß?« Ein leichtes Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. »Vielleicht können wir beide mit dieser Erklärung am besten leben.«
In dieses Lächeln hatte er sich damals verliebt.
*
Katrin ging zu dem großen Panoramafenster und warf einen Blick auf das nächtliche Freiburg.
»Sag mal«, fragte sie, um das Schweigen zu durchbrechen. »Was kostet die Wohnung eigentlich im Monat? Ich möchte mich schon an den Mietkosten beteiligen.«
»Gekauft, nicht gemietet.« Darren legte seine Arme um ihre Hüften. »Wein?«, murmelte er ihr ins Ohr.
»Du hast dich vorhin nicht angehört, als wolltest du mit mir gemütlich eine Flasche Wein trinken«, sagte sie und befreite sich aus seiner Umarmung.
»Du hast recht«, erwiderte er und ließ die Arme sinken. »Aber das, was ich dir zu erzählen habe, wird ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nehmen und«, er lächelte schief, »ehrlich gesagt habe ich gehofft, dass du dann später viel zu betrunken sein wirst, um mir davonlaufen zu können.«
Überrascht drehte sie sich zu ihm um. In seinen Augen lag wieder jene Spur von Angst, die sie bereits an ihrem ersten Abend in der kleinen Pizzeria in Donaueschingen nicht hatte deuten können. Das ungute Gefühl verstärkte sich.
»Warum ruft man einen Wirtschaftsjournalisten, wenn ein Kind vermisst wird, Darren?« Die Frage war einfach aus ihr herausgeplatzt. »Ich verstehe auch nicht, warum du mir nicht einfach sagen kannst, was los ist?« Ihre Wut wuchs. »Ich bin schließlich nicht blöd. Ich
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