Fünf: Schwarzwald Thriller 1
reden.« Selbst ihre Stimme klang blass. »Josef, bitte. Mach es mir doch nicht so schwer.«
»Du sollst dich doch ausruhen, hat der Arzt gesagt.«
»Ich kann und will aber nicht den ganzen Tag schlafen. Josef, ich will mit dir reden. Über uns.«
Bitte nicht! Er würde es nicht ertragen, wenn sie ihn nach all der Angst und Sorge, die er um sie ausgestanden hatte, wieder zurückweisen würde. Er wusste, dass Jean-Paul sie verlassen hatte, weil sie sein Leben zu kompliziert machen würde.
Seit Tagen fühle ich mich schlecht , hatte er ihr gesagt. Und ich weiß jetzt, dass deine Krankheit meinen Energiefluss blockiert.
Dann hatte er sie einfach sitzen lassen.
»… war der größte Fehler, den ich in meinem ganzen Leben begangen habe.«
Er war so sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass er beinahe vergessen hatte, dass Johanna mit ihm sprach.
»Was?«, fragte er und blinzelte irritiert. »Was für ein Fehler?«
»Hast du mir überhaupt zugehört, Josef?«
Er seufzte. Warum konnte nicht einfach alles unkompliziert sein? Sie waren seit fast zehn Jahren verheiratet, hatten zwei Kinder miteinander, und trotzdem schien er nicht einmal in der Lage zu sein, ihr zuzuhören. »Ich …«, stammelte er. »Es tut mir leid, Johanna, aber ich war einen Augenblick abgelenkt.«
Sie sah ärgerlich aus. »Das tut richtig gut, Josef. Wirklich.« Sie klang auch ärgerlich. »Da gebe ich zu, dass dich zu verlassen der größte Fehler meines Lebens gewesen ist, und du hältst es noch nicht einmal für nötig, mir zuzuhören.« Sie war ärgerlich.
Und ihm war schwindelig.
Wie machte sie das nur, fragte er sich, dass er es in ihrer Nähe einfach nicht schaffte, seine Souveränität zu behalten?
»Ein Fehler?« Er musste sich Mühe geben, nicht auszusehen, als ob er nicht bis drei zählen konnte.
»Ja«, ihre Stimme wurde wieder weich. »Es tut mir leid, dass ich erst so krank werden musste, um zu erkennen, was für ein wundervoller Partner du für mich gewesen bist. Ich war im Grunde meines Herzens ein unzufriedener Mensch. Nichts war mir genug, und das tut mir heute ehrlich leid.«
Das war mehr, als er jemals zu hoffen gewagt hatte. Er hatte nie aufgehört, um seine Ehe zu kämpfen, auch dann nicht, als sie sich mit wechselnden Männern im Bett vergnügte.
Er hatte, obwohl er seinen Glauben schon lange verloren hatte, sogar um göttlichen Beistand gebetet, wenn er nachts in seinem leeren Bett gelegen und sich die Augen ausgeweint hatte. Aber einen so unerbittlichen Verbündeten wie diesen Gehirntumor hatte er nicht gewollt. Auch wenn er ihr manches Mal nichts Gutes gewünscht hatte, wenn er nachts an ihrer Wohnung vorbeigefahren war und das Auto eines ihrer Geliebten vor der Tür hatte parken sehen.
»Wenn ich das hier überlebe, Josef«, ihre bleichen Lippen bewegten sich beim Sprechen kaum, »dann möchte ich dich um eine zweite Chance bitten. Ich weiß, dass ich dir sehr wehgetan habe, aber …«
Mehr hörte er nicht mehr, denn bei ihren Worten war er zu ihr ans Bett gelaufen und erstickte ihre Worte in einem verzweifelten Kuss.
*
»Ich sollte das nicht tun«, sagte Katrin und zögerte. Ihre Hand ruhte auf dem schwarzen Halbbogen des Türgriffs. »Ich bin noch nicht wieder im Dienst.«
Sie standen vor dem Haus der Göggels in einem der nobleren Wohnviertel von Hüfingen, in dem sich hauptsächlich Ärzte und Geschäftsleute großzügige Häuser gebaut hatten.
»Bleib hier, wenn du es für besser hältst.«
Wie unter Zwang schlossen sich ihre Finger um den Griff, und als sie daran zog und die Autotür aufschnappte, stand ihr Entschluss fest. Die kleine Julia hatte es verdient, dass Katrin über ihren eigenen Schatten sprang.
Das Haus der Göggels war ein einfaches Einfamilienhaus mit einem schönen Blumenbeet vor und einer größeren Rasenfläche hinter dem Haus. Es war weiß, mit schwarzbraunen Fensterläden und einem gusseisernen Geländer an der vierstufigen Treppe, die von einem hübschen kleinen Vordach vor Regen und Schnee geschützt wurde.
Darren drückte den Klingelknopf. Katrin sah ihm seine Anspannung deutlich an. Dann straffte er plötzlich die Schultern. Jetzt hörte auch Katrin die Schritte, die sich langsam der anderen Seite der Tür näherten, und schließlich wurde die Tür geöffnet.
Katrin schätzte Verena Göggel auf Mitte dreißig. Diese Schätzung berücksichtigte allerdings, dass sie im Augenblick mit ihren rot geweinten, geschwollenen Augen und ihrer bleichen, schlaffen
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