Fünf: Schwarzwald Thriller 1
mehr auf ihre Instinkte und vertraute ihrem Bauchgefühl. Diese Gegensätzlichkeit war es auch, die sie zu einem guten Team hatte zusammenwachsen lassen. Horn sorgte dafür, dass Katrin nicht die ermittlerische Bodenhaftung verlor, und sie öffnete Horn im Gegenzug dafür die Augen für die Seele eines Verbrechens.
Wortlos betraten sie zu dritt Horns Büro im ersten Stock. Das schlichte, weiß gestrichene Büro sah genauso aus, wie man das Büro eines Kriminalbeamten vom Fernsehen her kannte.
Auf den Fensterbänken fristeten anspruchslose Kakteen ihr Dasein, in der einen Ecke stand die unerlässliche Kaffeemaschine, in der anderen ein staubiger Ficus benjaminus. Trotzdem fühlte Katrin sich in diesem Büro wohl.
Horn knallte den Aktenstapel, den er mitgebracht hatte, auf den Schreibtisch. Argus, der sich schon bei Horns ersten wütenden Worten sicherheitshalber unter den Schreibtisch verzogen hatte, streckte jetzt, empört über den lauten Knall, seinen Kopf unter Horns Schreibtisch hervor und kroch unter den Besprechungstisch.
»Tut mir leid, Kumpel.« Horn, der sich genauso schnell beruhigte, wie er in die Luft ging, hatte sich schon wieder abreagiert.
Darren beugte sich hinunter und kraulte Argus hinter den Ohren. Mit einem gespielt beleidigten Blick und vor der Brust verschränkten Armen neckte Katrin ihn.
»Ach, du hast schon mitgekriegt, dass ich mindestens genauso erschrocken bin?« Sie deutete auf Horn. »Ich bin seinen Launen schließlich genauso ausgeliefert wie der Hund.«
Darren ging sofort auf ihren scherzhaften Ton ein und zeigte ein bezauberndes Lächeln. »Natürlich«, sagte er entschuldigend. »Komm her, dann kraule ich dich auch ein bisschen hinter den Ohren.«
»Untersteh dich.« Katrin lachte und fegte seine Hand, die bereits nach ihrem Ohr griff, weg.
»Wer nicht will, der hat schon«, sagte Darren und spielte nun seinerseits den Gekränkten. »Ich muss allerdings auch sagen, dass deine Ohren nicht annähernd so schön pelzig sind wie die von Argus.«
Sie lachten beide herzlich.
»So, jetzt mal Spaß beiseite«, mischte sich Horn ein. Auf seiner Stirn stand eine steile Sorgenfalte. »Wieso in drei Teufels Namen sollen wir alles, was man uns auf der Polizeifachhochschule beigebracht hat, außer Acht lassen und uns unter Umständen den Weg zu einem dringend notwendigen Fahndungserfolg verbauen?«
»Weil sich das Spiel geändert hat. Die Abstände zwischen den Entführungen werden immer kürzer. Jetzt noch die Sache mit meiner Wohnung. Ich glaube, dass er so weit ist. Er will, dass wir ihn aufhalten«, sagte Katrin schlicht.
»Warum?«
An Horns Stimme hörte Katrin, dass sie das Interesse des erfahrenen Kommissars hatte wecken können.
»Weil er die Beherrschung verliert.« Sie setzte sich auf einen der hölzernen Stühle an Horns Besprechungstisch und nahm einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand. Schnell skizzierte sie einen Zahlenstrahl, auf dem sie die Entführungs- und Todesdaten der ermordeten Kinder eintrug.
»Die Abstände zwischen den einzelnen Taten werden, wie ich schon gesagt habe, immer und immer kürzer«, erklärte sie. »Und er ist auch mit den Opfern immer brutaler und schonungsloser umgegangen. Es hat bei ihm eine Art Entwicklung stattgefunden, die entweder dazu geführt hat, dass sich sein Antrieb verändert hat oder dass er langsam, aber sicher, die Kontrolle über sich verliert.«
»Woher wissen Sie, dass er mit den Opfern immer brutaler umgeht?«, hakte Horn nach.
»Weil die Kinder immer schneller gestorben sind. Bis auf das erste – Carsten. Aber vielleicht war er bei Carsten zu aufgeregt, zu gierig. Das zweite Opfer hat fast ein halbes Jahr überlebt. Genau wie Tammy. Und die älteren Opfer sahen auch nicht so verwahrlost aus, machten einen gepflegteren Eindruck als die jüngeren Opfer.« Sie hob abwehrend die Hand, als Darren etwas sagen wollte. »Ich weiß, wie zynisch und brutal sich das anhört, Darren, aber ich analysiere nur.« Dann fuhr sie fort. »Emma Schmid hat immerhin sechs Wochen überlebt, ob das jetzt gut war oder nicht. Aber Julia Göggel hat er innerhalb von drei Wochen zu Tode gequält.«
Darren gab ihr uneingeschränkt recht und auch Horn musste zugeben, dass ihre Argumente nicht von der Hand zu weisen waren.
»Also gut, Katrin. Fangen Sie an. Was treibt den Kerl an? Warum müssen seine Opfer fünf Jahre alt sein? Was hat er für einen sozialen Hintergrund und so weiter.«
Katrin setzte sich aufrecht hin. Die Spannung in ihrem
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