Fünf: Schwarzwald Thriller 1
Reifen vor seinem Haus zum Stehen kam, öffnete sich die Haustür und Johanna lief ihm völlig aufgelöst entgegen. Johanna strauchelte und brauchte die gesamte Gehwegbreite, um zu ihm zu kommen. Horn lief ihr entgegen und umfing sie zärtlich.
»Josef!« Sie ließ sich schluchzend an seine Brust fallen. »Uli wurde entführt.« Ihre Stimme steigerte sich zu einem hysterischen Schrei, und sie schlug mit ihren Fäusten wild auf Josefs Brust.
Er war schockiert. So hatte er Johanna noch nie erlebt.
»Was sagt denn der Kindergarten? Wie ist es möglich, dass jemand anderer als wir sie abholen konnte?«
»Aber was redest du da, Josef?«, unterbrach ihn Johanna und sah ihn an, als hätte er völlig den Verstand verloren.
»Ich wollte Uli vor ein paar Minuten wecken, und sie lag nicht mehr in ihrem Bett. Jemand muss sie aus ihrem Zimmer heraus entführt haben.« Sie fing wieder an, mit ihren Fäusten seine Brust zu bearbeiten. Josef blickte über ihren Kopf hinweg ratlos zu Katrin und Darren, die ebenfalls einen verwirrten Eindruck machten. Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Kindergartens.
»Ja, das ist gut, Josef. Ruf die Polizei, hörst du?«, schrie Johanna und Josef sah, wie in der Nachbarschaft wie zufällig ein Fenster nach dem anderen geöffnet wurde.
»Könnten Sie, Katrin …?«, mehr brauchte er zu seiner jungen Kollegin nicht sagen. Sofort hakte sie sich bei Johanna unter und führte sie langsam, aber bestimmt zurück ins Haus.
Josef wollte mit allen Mitteln dafür sorgen, dass die Wagners nichts von dieser Szene mitbekamen.
»Frau Mehnert?«, sagte er, als der Hörer abgenommen wurde.
»Ich wollte nur Bescheid geben, dass wir Uli heute erst um achtzehn Uhr abholen werden können. Meiner Frau geht es nicht besonders und ich werde sie erst in die Klinik bringen müssen, ehe ich …«
»Schon gut, Herr Horn, Uli ist sowieso so schön am Spielen und das Mädchen, mit dem sie spielt, wird auch erst um sechs abgeholt. Das fällt ihr bestimmt gar nicht auf«, erwiderte Frau Mehnert schnell und Josef sah sie vor sich, wie sie in diesem Augenblick einen ihrer blonden Zöpfe um den Finger wickelte.
»Ich würde Uli trotzdem gern selbst Bescheid geben. Würden Sie sie kurz ans Telefon holen?«
»Natürlich, Herr Horn.«
Die Erleichterung, die Stimme seiner kleinen Tochter zu hören, wurde nur dadurch getrübt, dass es Johanna äußerst schlecht gehen musste, wenn sie so verwirrt war.
Er ahnte nichts Gutes, als er wenige Minuten später mit Johanna vor dem Gebäude der Neurochirurgischen Universitätsklinik hielt. Professor Dr. Malm war bereits unterrichtet und Johanna, die immer noch verzweifelt nach Ulrike schrie, wurde sofort unter Beruhigungsmittel gesetzt.
Ohne diese Maßnahme wäre eine Untersuchung ihres Gehirns nicht möglich gewesen, das hatte Josef eingesehen.
*
»Uns läuft die Zeit davon.« Katrin schlug die Hände vor das Gesicht. Nur auf ihre eindringlichen Bitten hin hatte ihr Chef zugestimmt, den Fall noch nicht an Gerber abzugeben.
»Katrin, ich muss den Fall an Gerber abgeben. Ich muss mich um meine Frau und meine Kinder kümmern.«
»Ich verstehe Sie, Herr Horn. Aber bitte … geben Sie mir noch drei Tage. Wenn Gerber …«
Gerber war noch nie persönlich mit Rainert zusammengekommen und Katrin fürchtete, dass er einen härteren Kurs fahren würde, als Horn und sie es taten. Das würde für Melissa den sicheren Tod bedeuten.
»Wie lange?«, fragte Darren.
»Drei Tage, dann übergibt er an Gerber.«
»Wie viele Fragen hast du noch zu beantworten?«
»Mit meinen bin ich fertig, aber ich komme mit einer von Horns Fragen nicht richtig weiter.«
Katrin hatte das Gefühl, ein Spiel mit dem Teufel zu spielen und fühlte sich machtloser denn je.
»Wo liegt das Problem?«
»Die Frage lautet: Ich habe das Paradies erobert. Wer bin ich?«
»Wie soll man denn diese Frage verstehen? Hast Du den Begriff Eroberung schon gegoogelt?«
»Ja, klar habe ich, und da erscheinen mal lässige zweihundertachtzehntausend Ergebnisse«, sagte Katrin verzweifelt.
Darren tippte das Stichwort ebenfalls ein. »Zunächst haben wir also den Film Conquest of Paradise, als Nächstes den Titelsong von Vangelis, dann haben wir noch Henry Maske, der den Song zu seinen WM-Kämpfen spielen ließ.«
»Aber das ist doch alles völlig oberflächlicher Mist«, sagte Katrin und spürte dasselbe unzufriedene Kribbeln wie am Mittag bereits.
»Ich habe das heute Morgen schon nicht
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