Fünf: Schwarzwald Thriller 1
deutlich lesbar in einer langen Reihe.
»Marianne Vo«, las Katrin und spürte, wie sie erbleichte. In Gedanken sprach sie bereits weiter.
»Ich weiß zwar nicht, was aus dem VO noch wird, aber wenn man die jeweils letzten Buchstaben aneinanderreiht, ergibt sich zumindest ein sinnvoller Name«, sagte Darren.
Ihre Hände zitterten. »Wir müssen weitermachen, Darren. Wir haben noch fünf Buchstaben.« Sie stieß fahrig ihre Kaffeetasse um. »Verdammter Mist!« Der braune Inhalt ergoss sich über sämtliche Papiere.
*
Josef sah erstaunt auf die Uhr, als er mit einem Blick die Fassade hinauf feststellte, dass in Darrens Wohnung Licht brannte. Das musste ein göttlicher Fingerzeig sein, ein Beweis, dass er auf dem richtigen Weg war.
Es war halb vier Uhr morgens, als er auf die Eingangstür zuging und entschlossen den Klingelknopf drückte. »Ich bin’s, Horn«, sagte er, als er Katrins Stimme hörte.
Es surrte leise und er öffnete die Tür. Seine Schritte auf dem harten Granitfußboden klangen entschlossen und sicher.
Er war wieder er selbst.
»Ich habe ehrlich gesagt überhaupt nicht an die Möglichkeit gedacht, dass ihr schlafen würdet«, entschuldigte er sich, als er in Katrins und Darrens verblüffte Gesichter blickte. »Und? Gibt’s was Neues?«, fragte er und folgte Darren ins Esszimmer. Katrin war schon vorgegangen.
»Das kann man wohl sagen«, erklärte Darren, nahm ihm sein Jackett ab und hängte es an die Garderobe. »Katrin hat herausgefunden, dass sich hinter bestimmten Buchstabenkombinationen der einzelnen Lösungswörter eine Botschaft versteckt.« Er erklärte mit leiser Stimme, wie weit sie bis jetzt mit der Entschlüsselung gekommen waren und welches Wort sich daraus ergeben hatte.
Horn setzte sich zu ihnen an den Tisch. Seine Haltung war aufmerksam und gespannt.
»Ich verstehe zwar nicht, was das soll«, sagte Katrin und kämpfte ihre Verzweiflung nieder, »aber der Fall scheint komplexer zu sein, als ich dachte.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.« Josef runzelte die Stirn.
Anstatt einer Erklärung schob Katrin den Collegeblock über den Tisch, auf dem die Botschaft stand, die Rainert ihnen bis jetzt gegeben hatte.
»Wir sollten herausfinden, wer diese Marianne Volz ist«, sagte Horn und griff bereits nach seinem Handy. »Vielleicht war sie sein erstes Opfer, sozusagen der Auslöser für alles Weitere.« Er wählte eine Nummer, aber Katrin nahm ihm das Telefon aus der Hand.
*
Katrin fühlte sich, als hätte ihr jemand mit einer eisernen Faust in den Magen geboxt. Ihr Gesicht glühte, obwohl es sich eiskalt anfühlte, und hinter ihrer Stirn tobte ein Feuer. »Das können wir uns sparen«, erklärte sie, während sie das Mobilteil schloss. Sie würgte an den Wörtern, die sich pausenlos in ihrem Kopf drehten, seit sie ihren Sinn erkannt hatte. »Marianne Volz ist der Mädchenname meiner Mutter«, brachte sie gerade noch hervor, ehe sie weinend zusammenbrach.
Katrin hatte noch in der Nacht zu ihren Eltern aufbrechen wollen, aber Horn hielt sie zurück. »Erst müssen wir nachher von Rainert die anderen Aufgaben holen«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Katrin hatte immer noch das Gefühl, über einem Abgrund zu hängen. Das Schlimme war nur, dass derjenige, der das rettende Seil hielt, Ralf Rainert war.
Was hatte er mit ihrer Mutter vor, oder mit ihr selbst? Die Fragen ließen ihr keine Ruhe. Seit dieser Mensch durch den Mord an Emma Schmid in ihr Leben getreten war, hatte sich für sie alles verändert. Er hatte sie aus ihrer Mitte gerissen und drohte jetzt auch noch ihre letzte Verbindung zur heilen Welt ihrer Kindheit zu kappen.
Nur zu Hause verwandelte sie sich wieder ganz in das behütete, kleine Mädchen, das die Schlechtigkeiten der Welt nur aus dem Fernsehen und den landesweiten Nachrichten kannte.
Geborgenheit war das große Wort, das ihr in den Sinn kam, wenn sie ihrem Vater in die warmen braunen Augen blickte, die den ihren so ähnlich waren, oder wenn sie ihre Mutter in der Küche die alten Neil Diamond-Hits mitsingen hörte.
Dort war die Welt noch in Ordnung und Katrin war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass es auch so bleiben würde. Diesmal würde sie sich nicht zurückziehen und in verzweifelter Lethargie ihre Wunden lecken. Diesmal würde sie kämpfen. Horn hatte recht, wenn er sie jetzt zurückhielt. Was hätte sie ihrer Mutter auch erzählen sollen?
Dass sie in Gefahr schwebte? Wer gefährdete sie?
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