Fünf Tanten und ein Halleluja
Kamilla stemmte die Arme in die Hüften. »Und warum, Antonius Müller, hast du uns nie gesagt, dass du schwul bist?«
Toni vergaà das Atmen.
»Hältst du uns denn für so konservativ?«, fragte Tante Ebba, »dass du das verschweigen musstest?«
»Christian Rodenbeck, der neue Kassenwart in unserem Schützenverein, ist auch schwul. Wusstest du das nicht?«
»So ein netter Mann. Nicht wahr?«
»Aber ehrlich gesagt hab ich mir das bei dir ja schon immer gedacht.«
»Kunststück, Helga. Ein Junge, der jedes Jahr zu Karneval als feine Dame gehen will.«
»Jedenfalls hättest du für uns wirklich keine Freundin erfinden müssen«, sagte Ebba und wandte sich an die anderen: »Der Junge ist schwul! Darauf hätten wir wirklich selber kommen können.«
In Tonis Kopf war nur noch Rauschen. Er starrte Kayla an. Ungläubig, fassungslos und zunehmend wütend.
»Ich hab nichts gesagt«, wehrte die ab. »Was denkst du denn von mir? Sie haben deine bescheuerten Umzugskartons gefunden. In der Kammer.«
»Meine Umzugskartons?« Er hielt sich am Türrahmen fest.
»Tut mir leid, Toni«, sagte Tante Immi. »Wir wollten nicht in deinen Privatsachen wühlen. Wir haben nur Putzmittel gesucht. Damit wir richtig sauber machen können.«
Bedeutete das, sie hatten hier geputzt? Seine Wohnung geputzt?
»Lernen wir denn Micha heute Abend kennen?« Tante Helga zwinkerte ihm zu. »Von wegen Freundin, was?«
»Wir wollten ihn ja schon anrufen«, meinte Tante Ebba, »aber Miss Barnes sagte, es wäre besser, wir würden dich vorher fragen.«
»Können wir deinen Micha denn anrufen? Wo wir doch jetzt alle Bescheid wissen?«
Toni, immer noch völlig durcheinander, lieà seinen Blick durch die Küche schweifen. Tante Kamilla, die neben Henrik auf der Bank saÃ, griff schmunzelnd und mit leuchtenden Augen nach seinem Joint. Mit spitzen Lippen nahm sie einen winzigen Zug und blies den Rauch zur Decke.
»Jetzt komm doch endlich rein und setz dich hin.«
»Du machst uns ganz verrückt, wenn du da in der Tür stehen bleibst.«
Toni fühlte sich wie nach einem Schleudergang. Er kam nicht herein und setzte sich. Im Gegenteil. Die plötzliche Wut überwältigte ihn.
»Seid ihr alle wahnsinnig geworden?«, rief er.
Mit einem Mal herrschte Stille in der Küche. In den Gesichtern der anderen spiegelte sich Erstaunen.
»Das hier ist meine Küche! Was soll das alles?«
»Aber, Toni â¦Â«
»Was macht ihr eigentlich hier? Mit meinen Freunden? In meinem Leben? Wer, bitte schön, hat euch dazu eingeladen? Was fällt euch überhaupt ein?«
Tante Claires Gesicht war mit einem Mal unendlich traurig. Doch er konnte sich nicht mehr bremsen.
»Kann mir das mal einer sagen?«, brüllte er. »Woher nehmt ihr euch das Recht, so in mein Leben einzudringen?«
»Toni, jetzt komm schon«, versuchte Kayla einzulenken. »Deine Tanten wollten nur â¦Â«
»Und euch habe ich gebeten zu verschwinden, solange mein Besuch da ist! Was ist denn daran so schwer zu verstehen?«
Tante Ebba mischte sich ein. »Toni, bitte, jetzt lass uns erst mal in Ruhe darüber reden.«
»Weil du das sagst, oder warum?«
»Reià dich zusammen, Junge, ja?«
»Ach so, ja natürlich. Tante Ebba hat gesprochen. Und dann müssen alle tun, was sie gesagt hat.«
»Ganz richtig, Toni. Denn wenn man dich so reden hört, ist es wohl wirklich das Beste, wenn ich die Sache in die Hand nehme.«
»Das hier ist aber mein Zuhause, Tante Ebba, nicht deins.«
»Denkst du, ich lasse mir von dir den Mund verbieten?«
»Ebba, lass doch, bitte«, kam es leise von Tante Claire.
»Was denn? Soll ich hier klein beigeben?« Tante Ebba schnaubte. »Er ist doch genauso wie sein Vater, der sture Hund. Man muss ihn nur â¦Â«
Doch weiter kam sie nicht. Denn Toni explodierte.
»Vergleich mich nicht mit meinem Vater! Mein Vater und ich, wir haben nichts gemein. Hörst du?« Seine Stimme überschlug sich beinahe. »Ich habe nichts von meinem Vater geerbt! Gar nichts!«
»Wie denn auch?«, sagte Tante Kamilla leise.
Jemand sog erschrocken die Luft ein. Dann war Totenstille. Keiner brachte mehr etwas heraus. Da waren nur aufgerissene Augen und fassungslose Blicke.
Toni blickte von einer Tante zur nächsten. Was ging denn hier
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