Fünf Tanten und ein Halleluja
nichts«, sagte er. »Es ist, als wäre er vom Erdboden verschluckt.«
»Dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen«, sagte Ebba.
»Wisst ihr was?«, meinte Kamilla. »Wir sollten erst einmal etwas frühstücken. Auf leeren Magen wird uns nichts Vernünftiges einfallen.«
»Da hast du recht, Kamilla«, sagte Claire. »Allerdings ist Tonis Kühlschrank so gut wie leer. Ich habe schon nachgesehen.«
»Kein Problem.« Kamilla erhob sich. »Ich gehe schnell zum Bäcker und hole Brötchen. Bestimmt gibt es dort auch ein bisschen Marmelade und Aufschnitt.«
»Warte! Ich komme mit!«, sagte Claire.
»Nein, das ist nicht nötig. Bleib du ruhig hier bei den anderen, und denk über Toni nach.«
Die anderen wechselten beunruhigte Blicke.
»Denkt ihr etwa, ich schaffe es nicht, alleine zum Bäcker zu gehen?«, fragte Kamilla. »Der ist nur ein paar Hundert Meter entfernt, den haben wir doch auf dem Weg von der U-Bahn hierher gesehen! Was soll mir denn passieren? Denkt ihr, ich gehe verloren?«
Den Gesichtern nach zu urteilen, traf sie mit ihrer Vermutung ins Schwarze.
»Wäre es denn so schlimm, wenn Claire dich begleiten würde?«, fragte Ebba vorsichtig.
Kamilla reckte ihr Kinn. »Jetzt schon. Ich gehe alleine. Ihr werdet sehen.« Sie blickte sich um. »Wo ist meine Handtasche? Ich hab sie doch eben noch gesehen.«
Kayla entdeckte sie unter dem Küchentisch. Sie hatte einen Einfall. Unauffällig tastete sie ihre Hosentasche ab. Ein kleiner Gegenstand lieà sich ertasten. Tatsächlich. Was für ein Glück. Sie zog ihn heraus und lieà ihn in die Handtasche gleiten. Keiner hatte es gesehen. »Hier, ich hab sie«, sagte sie und reichte sie Kamilla.
Die nahm sie mit einem schmallippigen »Danke« entgegen und verschwand durch die Wohnungstür.
Micha war es, der die Schwestern wieder auf andere Gedanken brachte. »Wenn er wenigstens an sein Handy gehen würde«, jammerte er. »Er sieht doch, dass ich anrufe. Warum tut er mir das an?«
»Moment mal«, sagte Kayla. »HeiÃt das, er hat es gar nicht ausgeschaltet?«
»Genau. Aber er geht auch nicht ran.«
Kayla lachte. So war Toni eben: Erst machte er eine Riesenszene, schottete sich dann von der Welt ab und wollte von keinem mehr gefunden werden â aber das Handy lieà er an, um genau zu sehen, wer wie oft anrief und um Vergebung bitten wollte.
»Also gut«, begann Ebba. »Dann lasst uns jetzt überlegen, wo er sich verstecken könnte. Micha â ich darf dich doch Micha nennen, oder? SchlieÃlich gehörst du ja zur Familie. Also, Micha, du sagst uns am besten â¦Â«
Kayla entschuldigte sich mit einem Lächeln und stand auf. Im Zimmer nebenan zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und wählte eine vertraute Nummer.
Am anderen Ende meldete sich eine dunkle Stimme. »Kessler.«
»Rolf, hier ist Kayla.«
»Kayla«, sagte er überrascht. »Was gibtâs?«
»Pass auf, Rolf. Als du neulich den libanesischen Drogenring mit meiner Hilfe ausheben konntest, da hast du gesagt, ich hab was bei dir gut, richtig?«
Die Skepsis in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Ja, stimmt. Wieso?«
»Du musst mir einen kleinen Gefallen tun.«
»Geht es dabei um was Legales?«
Sie lächelte. »Im Wesentlichen schon.«
Lutz hockte noch immer in seinem weichen Sessel, der etwas abseits stand. Am Tisch wurde weiter Kriegsrat gehalten, keiner beachtete ihn. Tante Kamilla war unversehrt vom Bäcker zurückgekehrt, was für ziemliche Erleichterung gesorgt hatte. Jetzt frühstückten die Tanten und redeten dabei über Toni. Die Stimmen am Tisch lullten ihn ein. Nur kurz die Augen ausruhen, dachte er. Ein oder zwei Sekunden, länger nicht. Danach bin ich wieder voll dabei.
»Und was ist mit Ihnen?«
Lutz schreckte auf und blinzelte gegen das Licht. Tante Ebba stand plötzlich vor ihm. Sie sah riesengroà aus. Und gefährlich. Ob das eine optische Täuschung war? Als wäre sie um einen Meter gewachsen.
Wieder ihre durchdringende Stimme: »Was haben Sie sich überlegt?« Es klang wie: Stellen Sie sich an die Wand.
War er etwa eingeschlafen?
»Wie bitte?«, stotterte Lutz.
»Wie bitte?«, äffte sie ihn nach. »Wie bitte was, junger Mann? Ich frage, was Sie sich überlegt haben. Wie wollen Sie helfen?«
O Gott, und
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