Fünf Tanten und ein Halleluja
sie schlieÃlich herbei. Der Türsteher, ein düster und gefährlich aussehender muskelbepackter Mann, nickte ihnen stumm zu und lieà sie ungehindert ins Innere treten.
Es war ein seltsamer Moment für die Müller-Schwestern, als beträten sie eine geheime Welt. Vor ihnen eine riesige Halle. Zuckende Lichter, stampfende Musik. An den Seiten beleuchtete Bars, dahinter Metalltreppen, nackte Betonwände, Balustraden. Und überall Menschen. Unendlich viel nackte Haut. Sich bewegende muskulöse Körper. So etwas hatte noch keine von ihnen zuvor gesehen. Ein seltsames Schauspiel. Schweigend und mit groÃen Augen blickten sie sich um.
»Also gut, wir teilen uns auf«, sagte Kayla. »Toni muss hier irgendwo sein. Wenn wir ihn gefunden haben, bringen wir ihn nach drauÃen. In zwanzig Minuten treffen wir uns vorm Eingang.«
Sie wies den Schwestern Bereiche zu, in denen sie suchen sollten. Sie selbst würde sich gemeinsam mit Helga in der Lounge umsehen. Da wäre Toni am wahrscheinlichsten zu finden, meinte sie.
»Hat jede verstanden, was sie machen soll? Gibt es noch Fragen?«
Entrücktes Kopfschütteln. Nicht einmal Ebba fand ihre Sprache wieder. Kayla betrachtete die Schwestern skeptisch, offenbar überlegte sie, ob es nicht vielleicht doch besser wäre zusammenzubleiben. Aber dann lächelte sie nur und sagte: »Na, dann würde ich sagen: Los gehtâs.«
Immi stieg die Metalltreppe hinauf. Sie würde auf der Empore nach Toni suchen. In diesem Klub erregte sie Aufsehen. Die Leute blickten ihr hinterher. Eine Frau jenseits der fünfzig war hier so auffällig wie ein bunter Hund. Dazu kam, dass die Treppe ziemlich eng war und kaum einer an ihrem dicken Körper vorbeikam. Sie lächelte tapfer, entschuldigte sich ständig, versuchte die teils abfälligen Blicke zu ignorieren und kämpfte sich weiter. Sie musste Toni finden.
Oben angekommen, musterte sie die Menschen auf der Empore. Rotierende Strahler, blinkendes Licht, aufsteigender Nebel. Und die laute Musik tat das ihre dazu: Für Immi sahen hier alle gleich aus. Sie tastete sich an der Wand entlang und versuchte, den Klubgästen ins Gesicht zu blicken. Wenn Toni dabei war, würde sie ihn schon erkennen.
Doch schon nach einiger Zeit musste sie zugeben, dass sie komplett die Orientierung verloren hatte.
Kamilla überblickte die Tanzfläche. Ein Meer von Menschen, die zum Rhythmus der Musik tanzten. Wie ein einziger Organismus, der sich wellenartig vor und zurück bewegte. Kamilla fühlte sich nicht gut. Vielleicht hätte sie doch lieber zu Hause bleiben sollen. Aber sie hatte ja darauf bestanden mitzukommen. »Es geht mir wieder gut«, hatte sie gesagt. »Ich fühle mich fit, ganz ehrlich.« Doch hier, bei dem schnellen Rhythmus, der lauten Musik und den vielen Menschen, wurde sie nervös. Sie fühlte sich bedrängt. Als wollte sich dieses Wesen auf der Tanzfläche gleich erheben und sie verschlingen. AuÃerdem bekam sie sonderbare Blicke zugeworfen. Oder bildete sie sich das ein? Sie drängte sich durch die Masse. Nackte Haut, SchweiÃ, die unterschiedlichsten Gerüche. Ihr Atem ging schneller. Toni. Sie sollte ja nach Toni Ausschau halten. Das hätte sie beinahe vergessen.
Ein langer, hoher Ton legte sich über die Bässe, auf der Tanzfläche wurde gejubelt, Arme wurden in die Luft gerissen. Kamilla verlor den Halt. Sie krallte sich an das, was sie kannte: Ein unsichtbares Raster legte sich über die Tanzenden. Planquadrate erschienen. Und Kamilla begann zu zählen.
Ebba ging an den Garderoben vorbei und steuerte einen Durchgang an. Dahinter war eine weitere Halle, in der eine andere Art Musik lief. Kayla hatte ihr den Unterschied erklärt, doch Ebba hatte gar nicht verstanden, wovon sie redete.
Sie wollte dies alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Ebba mochte diesen Ort nicht. Er war ein einziges Sündenbabel. Sie wollte niemandem einen Vorwurf machen, das war nicht ihre Art. Trotzdem hatte sie ihre Ãberzeugungen, und dieses schmutzige und unanständige Verhalten hier lehnte sie aus tiefstem Herzen ab.
Im Durchgang kam ihr ein Pärchen entgegen. Ein tätowierter Junge mit rasiertem Schädel und tellergroÃen Ohrringen, die eher wie Folterinstrumente aussahen. Daneben ein Mädel, das beinahe nichts anhatte. Ein durchsichtiges Fähnchen bedeckte die notwendigsten Stellen, der Rest war nackte
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