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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hervorragend im Sport und gleich schlecht in Latein, sie lasen wieder die gleichen Schmöker und verprügelten dieselben Nachbarskinder, sie bürsteten sich die widerspenstigen Haare an die Schädel, sie wälzten sich hölzern und verliebt durch den ersten Tanzkurs, sie schafften das Abitur wie ein Wunder, sie schrubbten das Schulschiff und teilten sich dasselbe Laster: den Mund nicht halten zu können; sie waren Fähnriche und wurden auf ihrer ersten Kreuzfahrt im Mittelmeer auf die Passagiere losgelassen, sie sahen nach den Sternen, die wie Brillanten glänzten, in einer blauen, verträumten Nacht. Bis das Lachen endete und der Krieg kam und sie beide neben Marion saßen, der jungen Sängerin, die sich für Georg entschied, und der Seekrieg dann die Freunde zwischen seine Pötte nahm und Georg mit dem Schnellboot Zerstörer angriff und Christian mit dem Minenräumer in die Luft flog, zweimal gleich …
    »Ich weiß, was mit dir passiert ist«, sagt Christian hastig, »von Marion …«
    »Marion?« fragt der Mann in dem gestreiften Zeugs. Er wirkt starr, unbeweglich, aber in seiner Stimme lebt alles, was nur leben kann. Dann spricht Christian, knapp, rasch, konzentriert. Er berichtet dem Freund, daß seine Frau hier ganz in der Nähe untergebracht sei und daß sich sein Junge prächtig entwickle.
    Georg schließt die Augen. Sein Blut wühlt im ausgemergelten Körper. Aber er läßt seinen jagenden Gefühlen nur ein paar Sekunden Zeit, nimmt den Freund am Arm, geht mit ihm in einen Nebenraum, in dem sich einige Häftlinge an Reagenzgläsern, Spritzen und Kanülen zu schaffen machen.
    »Alles Freunde«, sagt Georg, »Padre Savini«, stellt er rasch vor, »aus Rom …« und deutet auf einen Mann, in dem man bei aller Phantasie keinen Priester sehen kann. »Major Gladon«, fährt er fort, »aus Edinburgh …« Er zeigt weiter auf den französischen Arzt und den holländischen Widerständler. »Und das ist Melber …« Dann geht Georg in den Hintergrund, wie um dem heimlichen Lagerleiter den Vortritt zu lassen.
    »Wir können uns auf Sie verlassen?« fragt der Kommunist.
    Christian Straff nickt fast ärgerlich.
    »Sie wissen, was Sie riskieren?«
    »Lassen wir den Unfug«, entgegnet der Funkoffizier, »und kommen wir zur Sache.«
    »Gut«, erwidert Melber, »können Sie uns Waffen besorgen?«
    »Zwei, drei Pistolen«, antwortet Straff, »vielleicht mehr …«
    »Wann?«
    »Sofort.«
    »Wie ist das mit Ihren Leuten«, fährt Melber fort, »falls es hier zu: … zu Unruhen käme?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Würden sie auf uns schießen?«
    »Kaum«, versetzt Straff, »von der Besatzung bestimmt keiner … Das Sonderkommando gehört nicht zu uns, aber es sind alte Männer, die nach Hause möchten und sich nicht vorher noch die Hände blutig machen wollen …«
    Melber nickt. »Und wenn man das Schiff versenken würde … mit uns?«
    »Ausgeschlossen«, entgegnet der Funkoffizier.
    »Unter Zwang?« fragt der Kommunist.
    »Ich kenne keinen Kapitän, keinen Offizier und keinen Mann der Handelsmarine, die ein paar tausend wehrlose Menschen ertränken würden … keinen!«
    »Vielleicht«, will Melber erwidern, aber er verschluckt es. Er erfaßt mit der intuitiven Menschenkenntnis, die ihm ein Dutzend Jahre Lager überleben ließ, daß Christian wie Georg ist und daß diese beiden, in welcher Situation auch immer, übereinstimmend denken und übereinstimmend handeln würden.
    Die anderen Häftlinge, die das Gespräch scheinbar unbeteiligt verfolgt hatten, kommen jetzt auf den Funkoffizier zu. Er sieht die Erleichterung in ihren mageren, harten Gesichtern, er spürt eine Welle von Zutrauen und Dankbarkeit, die ihm entgegenschlägt.
    »Es kommen morgen noch mehr von Ihren Leuten an Bord«, sagt Christian Straff. »Wie viele Gefangene haben Sie auf Ihrer Seite?«
    »Die Politischen alle«, erklärt Melber. Er sieht die Frage in Straffs Gesicht und sagt: »Vielleicht die Hälfte … Der Rest ist zu apathisch, zu unschlüssig … oder …« Der heimliche Lagerleiter unterbricht sich. »Die einzige Schwierigkeit ist die Zeitfrage«, erklärt er dann, »wir müssen losschlagen, wenn die Engländer die Küste berennen, das heißt: Wir müßten genau unterrichtet sein.«
    »Das ist nicht so schwierig …«, entgegnet Straff.
    »Ja, aber wichtig wäre, einen von uns an Land abzusetzen, der mit den Engländern Verbindung aufnimmt, damit sie uns nicht noch versehentlich angreifen … Major Gladon, zum Beispiel, wäre der

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