Fünf
Papenbergs Kugelschreiber hinterlassen hatte. «Ihre Frau hat viel Zeit an der frischen Luft verbracht, nicht? Hat zu ihren Hobbys eventuell auch Geocaching gehört?»
Erstaunen lag in Konrad Papenbergs Miene. «Geo– wie?»
Also ein Fehlschlag. «Geocaching», wiederholte Beatrice entmutigt. «Eine Art Schatzsuche, man verwendet ein GPS -Gerät, arbeitet mit Koordinaten …» Sie ließ ihn nicht aus den Augen, doch das letzte Wort löste keinerlei Reaktion bei ihm aus.
«Stimmt, davon habe ich schon einmal gehört», sagte Papenberg matt. «Und es … es hört sich an, als hätte Nora Spaß daran haben können.» Er schluckte. Blickte zur Decke, um aufsteigende Tränen zurückzublinzeln. «Aber gemacht haben wir das nie. Wir … haben so vieles nie gemacht.»
Beatrice reichte ihm ein Papiertaschentuch und wartete, bis er sich wieder im Griff hatte.
«Wie lange waren Sie denn verheiratet?»
«Erst zwei Jahre, drei haben wir uns gekannt. Nächste Woche ist – wäre unser Jahrestag gewesen.»
«Es tut mir wirklich sehr leid.» Sie stand auf und schob ihren Stuhl zurück. «Wir werden alles tun, um den Mörder Ihrer Frau zu finden.» Sie meinte es ernst, trotzdem klang es wie eine leere Worthülse. «Wenn Ihnen noch etwas einfällt, von dem Sie glauben, dass es nützlich sein könnte, melden Sie sich bitte, ja?»
Konrad Papenberg nickte abwesend. Er ließ sich von Beatrice zur Tür bringen, wollte ihr die Hand schütteln und merkte erst in diesem Moment, dass er in seiner Rechten das zerknüllte Taschentuch hielt. Als würde diese Entdeckung alles noch schlimmer machen, lehnte er sich gegen die Wand und schloss die Augen. «Ich möchte es so gern begreifen», flüsterte er. «Verstehen Sie das?»
«Sehr gut sogar», antwortete Beatrice. «Wir lassen nicht locker, versprochen.»
Sie sah ihm nach, wie er draußen auf der Straße zu seinem Auto ging, einem grünen Mazda, den er beim Parken mit einem Reifen auf den Randstein gestellt hatte. Seine Haltung änderte sich nicht, wie es sonst oft bei Menschen der Fall war, wenn sie aus dem Polizeigebäude traten und sich nicht mehr beobachtet fühlten.
Beatrice wandte sich ab und ging in ihr Büro zurück, den Notizblock fest unter den Arm geklemmt. Florin musste noch in seiner Besprechung mit Hoffmann sein. Sein Handy hatte er auf dem Schreibtisch vergessen. Eine Leuchtdiode unterhalb des Displays blinkte und zeigte einen entgangenen Anruf oder eine SMS an.
Nein, sie würde nicht nachsehen, was die Ursache des Blinkens war. Keinesfalls. Wie kam sie überhaupt auf eine solche Idee? Das musste am Schlafmangel liegen.
Sie rief ihre Kontaktliste am Computer auf und wählte die Telefonnummer der Sachverständigen.
«Juliane Heilig.»
«Hier Beatrice Kaspary, Landeskriminalamt. Ich brauche ein graphologisches Gutachten, einen Schriftvergleich. Kann ich Ihnen die Dokumente durchfaxen?»
«Sicher. Was genau möchten Sie wissen?»
«Ob die Schriftstücke von ein und derselben Person verfasst wurden.»
«Gerne. Wie dringend ist es?»
«Anfang nächster Woche wäre großartig. Aber wenn Sie mir heute noch einen ersten Eindruck mitteilen könnten – unverbindlich natürlich –, damit wäre mir riesig geholfen.»
Kurze Pause. «Ich sehe, was ich tun kann.»
Beatrice betrachtete abwechselnd die fröhlichen Krakeleien auf dem Block und das ausgedruckte Foto des Cache-Briefs. «Es ist recht wahrscheinlich, dass eine der Schriftproben unter großem Stress entstanden ist. In einer Extremsituation.»
«Gut zu wissen, danke.» Heilig gab ihr die Faxnummer, und Beatrice schickte ihr die Dokumente durch. Kaum saß sie wieder am Schreibtisch, platzte Stefan herein.
«Ich habe von fast allen Chören die nächsten Probentermine, war ganz schön viel Arbeit.» Er sah Beatrice erwartungsvoll an, was sie daran erinnerte, anerkennend zu nicken. «Hervorragend.»
«Danke. Drei Chöre singen am Sonntag – zwei bei normalen Messen, einer bei einer Hochzeit. Wenn wir es uns geschickt einteilen, können wir sie alle abklappern.» Er reichte ihr einen Zettel, auf dem die Namen der betreffenden Chöre, die Anfangszeiten der Messen, die Kirchen und deren Anschriften notiert waren.
«Gute Arbeit, Stefan. Das ist mein Ernst, du hilfst uns sehr.»
Er strahlte. «Ich gehe jetzt weiter telefonieren, wäre doch gelacht, wenn wir die Chorliste heute nicht noch vollständig kriegten.»
Im Hinausgehen stieß er beinahe gegen Florin, der mit umwölktem Blick zur Tür
Weitere Kostenlose Bücher