Fünf
Mal denke ich mir, dass der Schmerz mich diesmal umbringen muss, es fühlt sich tatsächlich so an. Körperliche Krämpfe, Erstickungsanfälle. Aber es passiert nicht.» Er senkte den Blick auf den polierten Parkettboden. «Andere Menschen sterben so leicht. Haben Herzinfarkte oder Krebs. Mein Körper lebt einfach weiter, solange ich ihn nicht eigenhändig zerstöre.»
Maly räusperte sich. «Sie bestrafen sich selbst für etwas, das außerhalb Ihrer Verantwortung liegt. Ich kann nachvollziehen, dass Sie eine Verbindung zwischen Ihrer Abwesenheit und dem Tod Ihrer Familie ziehen, aber es stand nicht in Ihrer Macht, etwas so Schicksalhaftes vorherzusehen.»
Er schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. «Lassen wir das. Es gab in der letzten Woche doch ein ungewöhnliches Ereignis. Das könnte Sie interessieren.»
«Ja?»
«Die Polizei war bei mir in der Wohnung.»
«Tatsächlich? Weswegen?»
«Es ging um eine Frau, die ermordet wurde. Eine merkwürdige Situation. Die Polizisten wollten wissen, ob ich sie gekannt habe. Habe ich aber nicht.»
«Inwieweit ist das Ereignis für Sie dann bedeutsam?»
Gute Frage
. «Ich weiß nicht. Vielleicht weil es das erste Mal nach so langer Zeit war, dass ich wieder mit der Polizei gesprochen habe. Eine Frau und ein Mann, sie waren beide sehr rücksichtsvoll.» Er hielt inne, versuchte, einen Gedanken zu formulieren, und fragte sich, wie Maly ihn wohl interpretieren würde. «Es war beinahe ein gutes Gefühl, über einen Todesfall zu sprechen, der mich selbst nicht betrifft.»
Seine Quote liegt über
2000
, er gibt sich nie geschlagen, behauptet er, seine Stimme ist laut, er akzeptiert keinen Widerspruch.
Zum sicher zehnten Mal am Stück las Beatrice die Beschreibung der «Schlüsselfigur». Das Wort in diesem ersten Satz, an dem sie hängenblieb, war «Quote». Welche Art von Quote konnte über 2000 liegen? Eine Trefferquote? Hatte der Mann mit Waffen zu tun?
Sie rieb sich die Stirn. Gab man eine Quote nicht in Prozent an? Aber zweitausend Prozent waren mathematischer Blödsinn. Denkbar waren hingegen – 2000 Geocaches. In diesem Fall handelte es sich um einen enorm aktiven Cacher, einen echten Profi. Jemand wie er musste problemlos auf der Internetseite zu finden sein.
Ob seine Augen blau oder grün sind, musst du alleine herausfinden. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er, indem er Dinge verkauft, die, wie er selbst sagt, keiner braucht. Darin ist er gut.
Er war in einer Art von Verkauf tätig. Vielleicht bezog sich die Quote darauf? Gab es nicht in vielen Unternehmen so etwas wie innerbetriebliche Verkaufsstatistiken
?
Es war zum Auswachsen. Nichts, rein gar nichts an diesem Hinweis ließ sich verwerten. Auch nicht der letzte Satz.
Er hat zwei Söhne, einer heißt Felix.
Felix konnte aber ebenso gut drei wie dreiundzwanzig sein, und die Zahl der Felixe in der Umgebung ging vermutlich in die Tausende. Entnervt warf Beatrice ihren Stift auf den Schreibtisch. «Die beiden anderen Rätsel waren Peanuts gegen –»
I’ll send an
SMS
to the world
I’ll send an
SMS
to the world
I hope that someone gets my
I hope that someone gets –
Beatrice war aufgesprungen und hatte ihr Handy an sich gerissen, sie fühlte ihren Herzschlag im ganzen Körper.
Doch es war keine Nachricht des Owners, sondern eine von Achim, der auf welchem Weg auch immer herausbekommen haben musste, dass die Kinder am Mooserhof waren.
Man sollte dir das Sorgerecht entziehen. Du schiebst die Kleinen nur ab, seit Jahren. Du bist überhaupt keine Mutter
.
Mit einem wunden Gefühl im Inneren löschte Beatrice die Botschaft. Ihr Blick begegnete Florins, der sichtlich darauf wartete, dass sie etwas sagte.
«Bin erschrocken», murmelte sie. «Aber es ist wieder einmal nur eine SMS von meinem Ex.»
Sie steckte das Handy weg und spürte, wie er sie dabei beobachtete. «Du hattest etwas anderes erwartet, oder?», fragte er.
Mehr als ein Schulterzucken brachte sie nicht zustande. «Hätte ja auch der Owner sein können.» Einige Augenblicke lang war Beatrice versucht, Florin von ihrem Alleingang zu erzählen. Wenn man es denn so nennen konnte, aber wahrscheinlich war es korrekt. Hoffmann würde toben, sollte er erfahren, dass sie auf eigene Faust die Kontaktaufnahme des mutmaßlichen Mörders erwidert hatte, ohne Absprache.
Da würde er endlich mal zu Recht toben.
Sie wechselte das Thema. «Wenn wir schon nicht weiterkommen, was die nächste Stage angeht, dann vielleicht in puncto
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