Fuer den Rest des Lebens
doch, was ihn angezogen hat. Immer haben sie etwas von ihm gewollt, seine Mutter, seine Schwester, seine Frau, die Richterin und die Staatsanwältin, Frauen sind personifizierte Wünsche, jede Zelle ihres Körpers quillt über vor Wünschen, während sie ihren eigenen Willen auf den Mann richten, richten Männer ihren Willen auf die Welt, doch vielleicht haben er und seine Geschlechtsgenossen die falsche Sichtweise, aber diese Frau, die gerade die Beine übereinanderschlägt, sodass ihr Kleid verrutscht und man ihre erdigen Füße sieht, ist eine Frau ohne Willen, deshalb wirkt sie in ihrer Weiblichkeit erschüttert, und wieder stellt er sich ihren Körper prall und hart vor wie den einer Puppe, mit kleinen Brüsten ohne Brustwarzen und mit einer Scham ohne Öffnung.
Sie gähnt und entschuldigt sich, ich habe letzte Nacht nicht geschlafen, Elischewa ist bis morgens hiergeblieben, ich bin sehr müde, und er beeilt sich zu sagen, ich gehe schon, Talia, mach dir keine Sorgen, ich will dir nicht zur Last fallen, glaub mir, von dem Moment an, als ich dich zum ersten Mal sah, wollte ich dir helfen, das ist vermutlich nicht nötig, ich brauche eher Hilfe als du, stell dir vor, eine fremde Frau hat mich auf der Straße gestützt, damit ich gehen konnte, und sie lächelt ihm mit geschlossenen Lippen zu, nur an einem leichten Flackern ihrer Wangen erkennt er das Lächeln, wie verletzlich ist diese Haut, denkt er, wenn sie alt wird, wird ihre Haut keine Falten bekommen, sondern einfach aufbrechen.
Ich danke dir, sagt sie ernst, aber Hilfe ist immer kompliziert, du kennst das ja von deiner Arbeit, es wäre gut, wenn du mir helfen könntest, wenn ich dir helfen könnte, und sie beugt sich über ihr untergeschlagenes Bein und kratzt etwas Erde von ihrem Knöchel, als wäre es Schokolade, aber vielleicht kann ich dir trotzdem mit einem Rat helfen, sie zögert, du musst nach Hause zurückkehren, und er hört ihr bedrückt zu, sein Körper ahnt bereits die bevorstehende Leere, woher weißt du das?, fragt er, du hast keine Ahnung von meinem Eheleben, und sie sagt ruhig, ja, aber wenn deine Ehe bis jetzt gehalten hat, kann sie nicht so furchtbar gewesen sein.
Was ist bis jetzt wirklich gewesen, fragt er sich erstaunt, hat er bisher nichts mit seinem Leben angefangen, hat er nicht geheiratet und Kinder in die Welt gesetzt, hat er nicht immer wieder an ein verschlossenes Tor geklopft, ohne dass seine Gabe akzeptiert worden wäre, wieder und wieder, schon immer? Nie hat er sich diesem Gedanken so hingegeben, sein Körper spürt schon die Leere, die sich in ihm ausbreiten wird, wenn er gezwungen ist, sie aus seinem Leben zu reißen, und er betrachtet sie, ihre Hand umklammert wie nebenbei ihren Knöchel, ihre Zehennägel sind nicht mehr schwarz, sie sind blass, fast nicht zu sehen.
Was willst du, Talia? Was wird mit dir sein?, fragt er, und sie sagt ruhig, ich habe Zyklamen gepflanzt, und wie zum Beweis streckt sie die Hände aus, von denen sie sich die Erde abgewaschen hat, ich warte darauf, dass sie im Winter blühen, ich liebe Zyklamen, ich liebe meine Arbeit, ich habe gerade Gelder für einen neuen Forschungsauftrag bekommen, meine Eltern haben hier ein kleines Leben gelebt, und jetzt bin ich an der Reihe, und er denkt an seine Familie, bei uns passiert alles in großem Stil, aber nur in der Einbildung, das ist eine tödliche Verbindung, große Träume und kleine Taten. Bei uns schafft man Mythen, möchte er sagen, der sterbende See seiner Mutter, die vollendete Kibbuzgemeinschaft ihrer Eltern, das verlorene Europa seines Vaters, er selbst als Ritter der Unterdrückten, und jetzt seine Schwester mit ihrem mutigen, verzweifelten Mythos, ein Kind zu retten und auf diesem Weg selbst gerettet zu werden, was haben wir mit blühenden Zyklamen zu tun? Was haben wir mit einem kleinen Leben zu tun? Trotzdem sehnt er sich danach, mit ihr hier zu sein, im Winter, wenn die Zyklamen in ihrem sanften Rosa blühen, er möchte mit ihr im Garten sitzen, während seine Kinder auf dem Rasen Ball spielen, und wenn es kühl wird, werden sie hineingehen und er wird für sie heißen Kakao kochen, es wird alles einfach und wunderbar sein, ein kleines Ereignis, aber aufregend für ihn, denn es wird vor ihren Augen geschehen. Vor ihren Augen wird er seine Kinder umarmen, vor ihren Augen werden sie sich die Lippen lecken, die noch süß vom Kakao sind, und vielleicht erregt ihn die Vorstellung, weil es nie so sein wird, er weiß es und sie weiß es, und
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