Fuer den Rest des Lebens
angeschafft? Dabei hatte er sich eine kleine Schwester gewünscht, aber nicht so eine, und dann die ständigen Querelen mit meinem Mann, der sich nicht damit abfinden konnte, keine eigenen Kinder mehr zu haben. Nach einem Jahr ist er ausgezogen. Heute hängt er an dem Mädchen, aber inzwischen hat er noch einmal geheiratet und weitere Kinder bekommen. Wo ist eigentlich dein Mann in der ganzen Geschichte?
Mein Mann ist noch nicht dabei, gibt Dina bekümmert zu, aber ich hoffe, dass es mir gelingt, ihn letztlich zu überzeugen, und die Frau sagt, ja, für Männer ist es schwerer als für uns, es verletzt ihr Ego, auf ihren eigenen Samen zu verzichten, und im Allgemeinen dauert es bei ihnen sowieso länger, eine Beziehung zu entwickeln. Sie sehen in dem Kind einen Rivalen und sind gekränkt, dass wir uns nicht mit ihnen begnügen, aber glaub ja nicht, das wäre das größte Problem. Vermutlich wird er am Schluss zustimmen, die Frage ist nur, wie du es aushältst, wenn die Verantwortung allein an dir hängen bleibt, und Dina nickt deprimiert und betrachtet die Straße voller Planierraupen und Bauarbeitern, wie schade, dass das Stadtzentrum renoviert wird, ihr gefällt das Heruntergekommene besonders gut. Sogar in der Zeit der Anschläge hat sie es manchmal gewagt, im Zentrum herumzulaufen, hat in den Läden mit alten Büchern gestöbert, irgendwelche Schnäppchen gesucht, Erinnerungen, hier hat sie gern mit Orli gesessen, sie tranken Kaffee mit Schlagsahne, korrigierten Prüfungen und Seminararbeiten, und wenn Emanuel manchmal abends wie zufällig vorbeikam, dann hat sie sie schnell allein gelassen. Die Sirene eines Krankenwagens erschreckt sie, aber es ist nur ein Wagen, Gott sei Dank, eine private Katastrophe, wenn viele daran beteiligt sind, ist es eine nationale Katastrophe, das heißt, es könnte auch sie betreffen. Mit dem Unglück hat sie schon oft gehadert, wenn mir Nizan genommen wird, bringe ich mich um, das ist der Vorteil eines Einzelkindes, mir darf nichts passieren, solange sie mich noch braucht. Jetzt braucht sie mich weniger, deshalb ist die Angst auch geringer, und vielleicht ist das auch gut so, aber diese Art von Abhängigkeit schreckt mich nicht, sonst wäre ich jetzt nicht hier.
Und wie ist sie jetzt? Wie alt ist sie?, fragt sie, auch ihr ist kalt, aber sie hat vergessen, einen Pullover mitzunehmen, ohnehin würde kein Kleidungsstück sie gegen den kalten Wind in ihrem Inneren schützen, und Fingerhut antwortet, sie ist acht Jahre alt, ein tolles Mädchen, aber es ist noch immer nicht leicht mit ihr. Stolz hält sie ihr das Handy hin, mit dem Foto eines hellhaarigen Mädchens mit einer dicken Brille, erst gestern hat sie mich, als ich sie ins Bett schickte, angeschrien, ihre richtige Mutter wäre viel besser als ich und hätte ihr bestimmt alles erlaubt.
Wirklich?, fragt Dina enttäuscht, und was hast du ihr geantwortet? Und die andere Frau sagt, ich gebe mir Mühe, nicht beleidigt zu sein, obwohl mir das schwerfällt, ich erkläre ihr, dass es ganz natürlich ist, dass sie so fühlt, aber ich bin es, die sie aufzieht, und sie muss auf das hören, was ich sage. In der letzten Zeit beschäftigt sie sich sehr mit ihrer leiblichen Mutter, sie stellt viele Fragen, warum sie sie im Stich gelassen hat, das ist eine tiefe Wunde, eine Wunde für das ganze Leben.
Aber liebt sie dich?, beharrt Dina und wird ein bisschen rot, weil sie mit dieser Frage unwillkürlich ihr eigenes dunkles Motiv verrät, ihr niedriges Bedürfnis nach Liebe, und die Frau ihr gegenüber lächelt über das ganze Gesicht, natürlich liebt sie mich und wir haben wunderbare Stunden zusammen, ich bin verrückt nach ihr, aber ich möchte dir klarmachen, dass es nicht wie mit einem eigenen Kind ist, es ist wesentlich schwerer und komplizierter. Du hast ja eine Tochter, doch du darfst nicht erwarten, dass es so ähnlich ablaufen wird, ich möchte dir keine Angst machen, ich möchte dich nur vorbereiten.
Danke, sagt Dina und fragt sich, was sie mit diesen Informationen anfangen wird, die in ihr bohren, sie trinkt einen Schluck von dem Kaffee, der schnell kalt wird. Am Nachbartisch nimmt ein Elternpaar Platz, mit einem Baby, das sofort aus dem Wagen herausgehoben wird und auf dem Arm der strahlenden Mutter strampelt, wie jung die beiden sind, fast noch Kinder. Das wird sie nicht mehr erleben, weder dieses Alter noch diese vollkommene Hingabe. Es wird anders sein, wenn es überhaupt geschehen wird, Gideon zu überzeugen wird vielleicht
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