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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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einem großherzigen, treuen Mann, und trotzdem hast du ihn nicht gewollt, erinnert sie sich, seine Wünsche haben dich gelangweilt, schon damals hat er von einem Haus in einer Siedlung und von einer großen Familie gesprochen, dann hast du widerwillig die Augen verdreht, du hast ihn erniedrigt, du hast seine Liebe mit Füßen getreten und am Schluss hast du ihn wegen eines Mannes verlassen, den du nicht kanntest, der dich im Stich gelassen hat, als du schwanger warst, und obwohl er letztlich zurückkam, war er immer verschlossen.
    Du wolltest ein aufregendes Leben, du wolltest Bücher schreiben, Vorträge in aller Welt halten, erinnert sie sich, du musst die Frau, die du damals warst, respektieren, auch wenn ihre Hoffnungen nicht wahr wurden, und sie steigt aus dem Auto und nähert sich dem Haus, ein starker Wind bläst ihr durch die Haare, wie kalt es hier ist, viel kälter als in der Stadt, und die Regentropfen sind größer, sie ist schon nass bis auf die Haut. Vielleicht wird sie an die Tür klopfen und darum bitten, sich ein bisschen aufwärmen zu dürfen, das Haus ist so groß, bestimmt lässt sich darin ein vorläufiges Arbeitszimmer für sie finden, vielleicht noch nicht einmal vorläufig, vielleicht wären sie bereit, sie zu adoptieren, sie wird ihre alte, grauhaarige Tochter sein. Sie wird sich gut benehmen, sie wird nicht beißen und nicht um sich treten und keine elektrischen Geräte anfassen, sie wird nur bewegungslos neben dem Ofen sitzen, denn so hatte sie sich immer mit Etan gefühlt, dass sie keinen Finger rühren müsste, weil er sowieso für alles sorgen würde, mit Gideon haben sich die Rollen vertauscht, durch das, was er ihr vorenthalten hat, hat sie es gelernt, Fülle zu akzeptieren, denn sie meint, dass jedem Paar die gleiche Menge an Lebenskraft zugeteilt sei, nur die Verteilung sei verschieden, wenn einer weniger nimmt, nimmt der andere mehr.
    Auf der Rückfahrt schreibt sie ihm eine SMS, hi, Gideoni, wo bist du? Bei mir ist Unterricht ausgefallen, wenn du in der Nähe fotografierst, würde ich dich gern treffen. Früher hat sie ihn gern begleitet, um die Welt durch seine Augen zu sehen, manchmal konnte sie ihm sogar helfen, sie hat sich alle möglichen Ablenkungsmanöver ausgedacht, damit man ihn nicht bemerkte, sie war plötzlich losgerannt oder hatte mitten auf der Straße die Schuhe ausgezogen, damit er inzwischen ungestört fotografieren konnte, aber jetzt antwortet er nicht, und sie fährt in die leere Wohnung, der Hals tut ihr weh, sie legt sich aufs Sofa und zieht eine Decke über sich, und als Gideon nach Hause kommt, wacht sie zitternd vor Kälte auf, wie viel Uhr ist es? Wo ist Nizan?, und er sagt, ich habe uns für das Wochenende ein Hotel am Toten Meer gebucht, ein Zimmer mit Blick aufs Wasser, um deinen Geburtstag zu feiern.
    Wirklich?, sagt sie überrascht, wie schön, ich habe ihn ganz vergessen. Seine Bemühungen rühren sie, sie streckt die Arme nach ihm aus, komm, Gideoni, mir ist kalt, ich bin ganz nass geworden, und er kommt vorsichtig zu ihr, setzt sich neben sie auf den Rand des Sofas. Wo warst du?, fragt sie, warum hast du mir nicht geantwortet? Es war ein beschissener Tag, sagt er, ich habe deine Nachricht erst auf dem Heimweg gelesen, was ist los mit dir? Und sie sagt, mit mir ist alles in Ordnung, ich bin plötzlich eingeschlafen, seine Hand liegt auf ihren Haaren und sie ist auf einmal verwirrt, die sonnenverbrannte Hand eines grauhaarigen Mannes, die faltige Hand einer Frau auf einer mageren Brust, wie sehr wir uns verändert haben.
    Soll ich mir vielleicht die Haare färben, wie alle anderen, fragt sie, und er sagt, nein, ich finde es schön so, ich mag es natürlich, und sie sagt, vielleicht färbe ich sie mir zum Geburtstag, vielleicht wird mir das guttun, und er lächelt, kein Problem, wenn es dir guttut, und es scheint, als könnten sie wegen der lebenswichtigen Dinge, die zwischen ihnen stehen, nur so banale Sätze zueinander sagen. Komm, leg dich neben mich, schlägt sie vor, du siehst müde aus, und er zieht langsam die Schuhe aus, legt sich neben sie auf das Sofa, und sie fragt, erinnerst du dich, dass ich manchmal seltsame Dinge gemacht habe, während du fotografiert hast?
    Ja, sagt er, das ist lange her, und sie kichert, ich habe auch heute etwas Seltsames gemacht, und er fragt, was hast du gemacht? Seine Stimme ist distanziert und sie hält sich zurück, es ist sinnlos, ihm zu erzählen, wo sie heute war, sie kennt ihn, er wird ihr vorhalten, sie sei

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