Fuer den Rest des Lebens
es gerecht zugehen, wie im Fall des sechzehnjährigen Chalad, der bei einem Steinmetzunternehmen gearbeitet hat, bis ein Kran einen Grabstein auf seinen Rücken fallen ließ, seither ist er gelähmt, und weil er illegal gearbeitet hat, hat der Unternehmer ihn abgeschoben, und die Familie wird es nicht wagen, gegen ihn zu klagen, denn inzwischen beschäftigt er Chalads jüngeren Bruder, wer wird eine Entschädigung für ihn herausschlagen, wer wird für Halah sorgen, man wird sie nach Jordanien ausweisen, trotz ihres Grundrechts, zu heiraten und eine Familie zu gründen, und was ist mit den drei Kindern, die mit einem Blindgänger spielten und lebensgefährlich verletzt wurden, wer wird für den unterdrückten Stamm sorgen, für die freien Wüstenbewohner, für die stolzen Beduinen, die von stolzen Nomaden zu Müllsammlern am Rand der Stadt wurden? Nur wenige sind bereit, die Hilflosen zu verteidigen, die brillantesten Köpfe stellen sich in den Dienst der Mächtigen, wie verlockend ist es, den Staat zu vertreten, die Banken, die Reichen, aber wenn du die Robe des Obersten Gerichtshofs anziehst, spürst du deine Macht, gerade dann, wenn du die Schwachen und Erniedrigten gegen die Übermacht vertrittst und es sogar manchmal schaffst, sie zu besiegen, dann bist du nicht mehr hilflos, auch wenn deine Erfolge in den letzten Jahren weniger geworden sind, er erinnert sich an die Enttäuschung auf Suleimans Gesicht, ist er es, der schwächer geworden ist, oder ist der Staat stärker geworden, das würde doch heißen, er ist schwächer geworden und schützt sich umso heftiger. Avner lässt den Blick von den Ordnern zu dem Baum wandern, der mit solcher Selbstsicherheit blüht, als würde der Winter nie mehr zurückkommen. Anati, ich brauche deine Hilfe, es ist wirklich dringend, wiederholt er, denn er hat plötzlich das Gefühl, dass es ihm, könnte er das Auto identifizieren und in der Folge das Paar, das damit weggefahren ist, auch gelingen würde, das Urteil des himmlischen Gerichts zu verzögern.
Die Fußbodenfliesen sind noch kühl vom Winter, der gerade vergangen ist, und als sie sie mit ihrem glühenden Rücken berührt, meint sie ein leises Zischen zu hören und glaubt, von Dampfschwaden eingehüllt zu werden, und als sie die Augen aufmacht, sieht sie den zarten Körper ihrer Tochter, die sich über sie beugt, aus ihren Haaren steigt der feine Duft von Sommerfrüchten und ihre Arme, eingehüllt von dünner, seidiger Haut, liegen um ihren Hals und ihre Berührung ist unvergleichlich angenehm. Mamale, Mamale, flüstert sie ihr ins Ohr. Doch Dina wagt nicht, sie auch nur mit der Fingerspitze zu berühren, aus Angst, der Zauber könne sich auflösen und den Traum zerstören, ein armseliges Jammern kommt aus ihrer Kehle, das Jaulen eines Hundes, der sein Herrchen nach langer Trennung wiedersieht, und eine so heftige Sehnsucht packt sie, dass sie nicht weiß, wohin mit diesem Überschwang, ein vollendetes Glück und ein Verlust, wie zwei Seiten einer Medaille.
Hoch über ihren Köpfen hängt ihr erstes Foto, und sie erinnert sich, wie gern Nizan früher am Schabbatmorgen in ihr Bett gekommen war, und manchmal betrachtete sie das Bild und sagte ernsthaft, ich möchte noch einmal klein sein, ich möchte noch einmal dieses neugeborene Baby sein, dann erschrak Dina und fragte sich, ob das Mädchen wohl ihre Gedanken lesen konnte, denn das war es, was sie zu ihrer Schande ebenfalls wollte, Nizan noch einmal auf die Welt zu bringen, sie noch einmal aufzuziehen.
Aber warum?, fragte sie ihre Tochter unschuldig, und Nizan antwortete dann, weil es leichter ist, klein zu sein, und sie, wie üblich, beeilte sich, ihre Tochter zu beruhigen, meine Süße, es ist viel schöner, groß zu sein, denk doch, wie spannend dein Leben ist, wie viele Dinge du jetzt machen kannst und früher nicht konntest, aber damals hatte ich nicht so viele Probleme, so nannte Nizan ihre Schwierigkeiten mit ihren wechselnden Freundinnen, die schändlichen Intrigen, von denen sie ihr ausführlich erzählte, und Dina hörte zu, ermunterte sie, wie angenehm waren ihr diese innigen Gespräche mit ihrer ernsthaften, heranwachsenden Tochter, und nun, in ihren Armen, quälen sie die Erinnerungen an das, was sie hatte und verlor, dieses höchste Glück der Nähe, Haut an Haut, wie die Nähe der Erde zu dem Baum, der in sie gepflanzt ist, dessen Wurzeln in ihr stecken und der wächst und gedeiht.
Mamale, nicht weinen, schimpft das Mädchen in ihr Ohr, du bist
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