Fuer den Rest des Lebens
Wahnsinn befallen, dessen Existenz sie zwar kennt, aber nicht seine Stärke, ja, man kann das Reden bezweifeln, schließlich ist unsere Geschichte wie Ton in der Hand des Schöpfers, die Frucht unserer Phantasie oder die Frucht des Schöpfers der Welt, wo liegt eigentlich der Unterschied? Sie hat gesehen, was sie gesehen hat, mit den wirklichen Augen oder mit den Augen der Phantasie, eng aneinandergeschmiegt haben sie in dem schmalen Bett gelegen, mit verschlungenen Gliedmaßen, und schon ist sie bereit, die Episode ungelöst zu lassen, die Behauptung ihrer Tochter zu akzeptieren, um die Nähe zu bewahren, und sie lacht, vermutlich habe ich nur geträumt, dass du mit einem schönen jungen Mann, der dir sehr ähnlich sah, im Bett gelegen hast, aber Nizan betrachtet sie mit einem rätselhaften Blick, der sie erschreckt, was ist hier los, zerbröckelt die Wand zwischen Realität und Phantasie, oder noch schlimmer, ist es ihre Tochter, die sich auflöst, Nizan hat sie belogen, es ist schlimmer als eine Lüge, schon fast eine Misshandlung, und sie betrachtet ihre Tochter voller Angst, als hätte sie an ihr gerade die ersten Anzeichen einer schrecklichen Krankheit entdeckt, eine Degeneration des Herzmuskels. Sie sitzt mit verschränkten Beinen vor ihr, mit dem Rücken ans Bettgestell gelehnt, ihr Gesicht ist ausdruckslos, ihr Körper ist in einen alten Schlafanzug gehüllt, den sie in der Eile umgedreht angezogen hat, wieder versinkt sie in sich selbst, und Dina stößt einen Seufzer aus, wohin ist die einfache Nähe der Sprache und der Berührung verschwunden, wird sie sich je wieder zeigen, sie setzt sich neben das Mädchen, vor den Schrank, und fragt sich, ob denn nichts von den früheren Jahren bleibt.
Ratlos wirft sie einen heimlichen Blick in den Spiegel auf der Schranktür, in dem sie ihre Tochter sieht, den hohen Bogen ihrer Fußsohlen, die schmalen Knöchel, alles an ihr ist noch so jugendlich und luftig, im Gegensatz zu ihren Freundinnen, die schon so schwer sind wie Frauen. Sie versteht ihre eigene Tochter nicht, als wäre sie in die Zeit des stummen Babys zurückgekehrt, als man ihre Bedürfnisse und ihre Nöte nach irgendwelchen Anzeichen erraten musste, jetzt sucht sie wieder nach Anzeichen, aber Nizan scheint sie absichtlich in die Irre zu führen, und als sie schweigend nebeneinander vor den Spiegeltüren sitzen und das Zimmer in der verletzenden Hitze des beginnenden Sommers glüht und zwischen ihnen eine Frage schwebt, hat Dina das Gefühl, als wäre das Mädchen auf eine geheimnisvolle Art vertauscht worden, ihr Äußeres sei geblieben, wie es war, doch ihr Inneres sei ganz und gar ausgetauscht worden, wie ein Gebäude, dessen Fassade man erhalten hat, doch dahinter wird es renoviert, und als die Schranktür sich plötzlich bewegt, ist sie schon bereit, sich damit abzufinden, dass die Erde bebt, sie hat sowieso jeden Halt verloren, aber dann wird das Beben von einem jämmerlichen Jaulen begleitet, und aus dem Schrank kommt der Kater Hase heraus, er schiebt sich durch die schmale Öffnung, und bei seinem lauten Schnurren verziehen sich ihrer beider Lippen zu einem Lächeln.
Häschen, ruft Nizan und versenkt ihre Finger in seinem Fell, du Dummkopf, hat man dich im Schrank eingeschlossen? Hier im Schrank hast du besonders gern geschlafen, als du ganz klein warst, erinnert sie ihn, stimmt’s, Mama, hier im Schrank hat er geschlafen, nicht wahr? Und Dina bestätigt dankbar Nizans Worte, als bringe sie die gemeinsame Erinnerung wieder näher zusammen, auch sie streichelt das weiße Fell, ihre Finger berühren die Finger ihrer Tochter und weichen zurück, als ahnten sie im Voraus eine Zurückweisung, doch zu ihrer Überraschung greift ihre Tochter nach ihrer Hand, auch aus ihrer Kehle dringt ein katzenhaftes Schnurren, das sich anhört wie der Anfang eines Lachens, das Dina freudig erwidert, hofft, dass sie gleich sagt, warum hast du mir bloß geglaubt, Mamale, natürlich war jemand bei mir, und sie hebt auch die andere Hand, um ihre Tochter zu umarmen, deren Körper von einem seltsamen, immer stärker werdenden Lachen geschüttelt wird, immer deutlicher.
Sie zieht Nizan an sich, was ist los, mein Mädchen, warum weinst du? Erzähl es mir, ich helfe dir. Wieder überschwemmt sie die märchenhafte, mütterliche Hoffnung, die sich anmaßt, jedes Problem lösen zu können, jeden Schmerz mit der Kraft der Liebe, Hingabe und Nähe zu dämpfen, das Mädchen legt sich in ihren Schoß, ein zerbrechliches Ei im Nest
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