Fuer den Rest des Lebens
und Illusion zu unterscheiden, zweifeln zu lassen, ist so grausam, sie kann eine derartige Grausamkeit nicht mit ihrer Tochter in Verbindung bringen, ohne einen brennenden, absolut unerträglichen Schmerz zu spüren, und sie fällt auf das Bett des Mädchens, beschnüffelt es wie ein Tier, entschlossen, sich davon zu überzeugen, dass sie ihr die Wahrheit gesagt hat.
Der Geruch nach Lagerfeuer steigt aus der dünnen Decke, die sie zur Seite zieht, sie sucht nach Anzeichen auf dem Laken, dem Kopfkissen, was werden dir die schweigenden Gegenstände erzählen, was lässt sich dieser oder jener Falte entnehmen, dem hellen Haar, auf das du dich plötzlich stürzt, um seine Länge zu kontrollieren, schließlich haben ihre Haare die gleiche Farbe. Wüstenwind bläht den Vorhang über dem Bett auf, und plötzlich erschrickt sie, versteckt sich jemand dahinter, ist dahinter die Wahrheit verborgen? Du bist krank, flüstert er mit einem bösen Kichern, du bist immer krank gewesen, aber jetzt ist es offensichtlich, aufgeblähte Luft bläst ihr Silben aus Staub und Verzweiflung entgegen, du bist krank, du bist krank, und erst dann sieht sie, dass ihr Mann hinter ihr in der Tür steht, hat er die Worte ebenfalls gehört oder war er es, der sie ausgesprochen hat, wie distanziert seine Miene ist, seine Lippen verziehen sich zu einem spöttischen Lächeln, was suchst du da, das Blut ihrer Jungfräulichkeit?
Ohne zu antworten, legt sie den Kopf auf das Kissen und zieht die Decke über sich, so liegt Nizan immer, den violetten Chiffonvorhang hinter sich, die Tür vor sich, und dahinter die Wohnung mit den weißen leeren Wänden, fast ohne Bilder, denn Gideon mag die Schatten, die von den Bäumen auf die Wände geworfen werden, mit wenigen Möbelstücken, nur was notwendig ist, einfach und rein ist die Wohnung, fast asketisch, wie von einem Designer eingerichtet. So liegt Nizan Nacht um Nacht da, was sieht sie, was hört sie, weiß sie, was für eine unendliche Anstrengung es erfordert hat, indirekte Beleuchtung zu schaffen wie in den nördlichen Ländern, deren Bewohner das Haus mit Kerzen füllen, das ist es, was sie sechzehn Jahre lang getan hat, sie hat kleine Kerzen für ihre Tochter angezündet, hat die Flammen mit sieben Augen bewacht, damit der Wind sie nicht ausbläst. Mir ist kalt, Gideon, hört sie sich flüstern, und sofort korrigiert sie sich, mir ist heiß, warum hat sie heiß gemeint und kalt gesagt, warum hat sie es Gideon gesagt, das zu versuchen lohnt sich nicht, doch da kommt er, setzt sich neben sie auf das Bett und sagt, ohne sie anzuschauen, hör zu, du musst besser für dich sorgen, das ist ein schwieriges Alter, ich habe darüber gelesen, es gibt Frauen, die heftig auf die Wechseljahre reagieren, und du nimmst sowieso alles sehr schwer, aber zu ihrer Verblüffung klingt seine Stimme nicht missbilligend, sondern teilnahmsvoll, sie richtet sich langsam auf, seine Worte ziehen sie mit weichen Stricken zu ihm. Du hast darüber gelesen?, fragt sie erstaunt, fast dankbar, und er sagt, das ist nicht zum Lachen, Dini, es ist ernst, erst neulich habe ich von einer Frau gehört, die sich wegen einer Depression in den Wechseljahren umgebracht hat, eine Frau, die ihr Leben lang in Ordnung war, verheiratet, mit drei Kindern, du musst für dich sorgen, vielleicht ist es das, was Nizan dir sagen wollte, dass du dich um dich kümmern sollst, nicht um sie.
Hat sie mich deshalb belogen?, fragt sie sich, legt die Wange auf sein Knie, sie hat gesagt, es sei keiner mit ihr hier im Bett gewesen, aber ich weiß, dass es so war, schau, sie öffnet vor ihm ihre verschwitzte Faust, das ist ein Haar von ihm, aber ihre Hand ist leer, die Beweise entfallen ihr, einer nach dem anderen, und Gideon lächelt, die Hände hängen an seinem Körper herunter, streichen nicht über ihre Haare, was soll’s, wenn sie gelogen hat? Warum machst du so ein Theater daraus, alle lügen, lügst du nicht auch manchmal? Und sie sagt, ich? Nein, nicht richtig, ich belüge nicht die Menschen, die mir nahestehen, ihr Gesicht glüht, als sie sich an die Lügen erinnert, die sie am Morgen zu ihrer Studentin gesagt hat, was für ein seltsames, überflüssiges Zusammentreffen, und sie reibt ihre Wange am harten Stoff seiner Jeans, du nimmst das alles so leicht, als ob du die ganze Zeit lügst.
Nicht die ganze Zeit, nur wenn mir nichts anderes übrig bleibt, sagt er, aber sie spürt, wie sich seine Muskeln anspannen und ihr Herz klopft, wo warst du eigentlich? Ich
Weitere Kostenlose Bücher