Fuer den Rest des Lebens
wieder und wieder läutete, als würde wieder und wieder ein Kind geboren, und als sie morgens ankamen, die leeren Netze in den Händen, warteten einige ihrer Freunde am Ufer auf sie, mit verhüllten Köpfen, nahmen Josef am Arm und führten ihn zu seinem Unglück, zu dem Jungen, der seine Mutter verloren hatte, nur wenige Stunden nachdem er aus ihrem Leib gekommen war, zu der Leiche der jungen Frau, die nach der Geburt durch eine seltene Komplikation das Leben verloren hatte, und Chemda brach vor dem blassen Gesicht ihres Vaters in Tränen aus, du bist schuld, schrie sie ihn an, wenn du ihm erlaubt hättest, heimzufahren, wäre es vielleicht nicht passiert, und ihr Vater packte sie am Arm und zerrte sie eilig zum Speisesaal, mit zitternden Lippen, hätte er sie doch an seinem Schmerz teilhaben lassen, hätte er doch das Selbstverständlichste gesagt, ich konnte es nicht wissen, wie hätte man das wissen können, aber er zischte nur, man geht nicht mitten in einer Arbeit weg.
Zum Frühstück aß er nichts, er goss sich nur eine Tasse heißen Tee nach der anderen ein, und sie beobachtete ihn, wie er mit leicht wiegenden Schritten zu seinem Zimmer ging, mit dem Gang der Fischer, deren Körper die Erde schwingen lassen will, er war schließlich der Älteste unter ihnen, er hatte allen anderen das Fischen beigebracht, alles, was er in den ersten Jahren bei den Arabern gelernt hatte, hatte er an die jüngeren Kibbuzmitgliedern weitergegeben. An jenem Tag ging sie nicht zur Schule, zitternd vor Kälte und Müdigkeit versteckte sie sich zwischen den Büschen unter seinem Fenster, und hätte sie nur einen einzigen Seufzer gehört, wäre sie hineingegangen und hätte ihn getröstet, doch aus dem Zimmer, das den ganzen Tag über abgedunkelt blieb, drang nur eine bedrückende Stille, und am Abend, als es dämmerte und alle die junge Mutter zu Grabe trugen, trat er heraus und ging zur Mole, ohne die anderen Fischer, ohne einen Beutel mit Essen und Trinken. Mit trauerndem Herzen schaute sie seinem Boot hinterher, das sich immer weiter entfernte, wusste er nicht, wie gefährlich es war, nachts allein zu fischen, hatte er vergessen, dass arabische Banden den Fischen und den Fischern im Dickicht auflauerten? Papa, schrie sie ihm hinterher, Papa, komm zurück, und die ganze Nacht wälzte sie sich im Bett herum, sicher, sie würde ihn nie wiedersehen, sie verabscheute ihn und liebte ihn, Wellen von Mitleid und Wut überfluteten sie, Mörder, murmelte sie, prüfte den Geschmack der Wörter auf der Zunge, Mörder, wer hat dich dazu aufgerufen, härter als Gott selbst zu sein?
Zitternd beobachtete sie den verwaisten Jungen, der vor ihren Augen heranwuchs wie ein Grabstein, der immer weiter aufgebaut wird, als lebendiges Zeichen für eine vergangene Zeit, für einen Schmerz, der nie aufhörte, sie sah Josef, der nachmittags mit ihm durch die Wiesen wanderte, beide mager und leicht gebeugt, ein bedrücktes, einsames Paar. Wie tief ist das Waisendasein, wie stark das Witwerdasein, diese Worte, die sie aus Büchern kannte, saugten die beiden Gestalten auf, und in ihrer Vorstellung adoptierte ihre Mutter den Jungen, um die Schuld ihres Vaters zu sühnen, und vielleicht konnte sie sogar selbst, obwohl sie in jener Nacht nur ein zwölfjähriges Mädchen war, zur Mutter des kleinen Chanan werden, der nach seiner Mutter Chana benannt worden war, denn in der Tiefe ihres Herzens hielt sie sich für mitschuldig, denn wäre sie nicht im Boot gewesen, hätte ihr Vater vielleicht nicht so streng reagiert. Er nahm es so genau mit ihrer Erziehung, achtete so sehr auf seine Rolle als persönliches Vorbild, deshalb hatte sie während der ganzen Jahre Angst, Chanas Geist könnte sie verfolgen, sodass auch sie bei der Geburt sterben würde, das wäre nur gerecht, aber als sie die kleine Dina zum ersten Mal im Arm hielt, war es ihr Vater, der leblos vor ihr lag.
Was für ein falscher Akt, ein unentschuldbarer Irrtum, möchte sie ihrem Heft erzählen, ein Verlust führt zu einem Verlust, so viel wurde im Lauf der Jahre geraubt, schließlich wuchsen sie im Schatten dieses Verlustes auf, Generationen von Kindern am Ufer des Sees, liebten sie ihn deshalb so sehr? Seit je waren dort Messungen vorgenommen worden, die Schlechtes voraussagten, Ingenieure aus dem Zentrum des Landes kamen oft zu ihnen, mit wichtigen Gesichtern, als nähmen sie an einem großen, bedeutungsvollen Werk teil, und mit Messinstrumenten in den Händen, die im Lauf der Jahre immer
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