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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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die dort im Eingang steht und angeregt telefoniert, das Handy von den Haaren verdeckt, sodass es aussieht, als würde sie heftig mit sich selbst diskutieren? Er hat sie noch nie besonders gemocht, dieses zierliche Ding, das schon in jungen Jahren altkluge Gedanken von sich gegeben hat, sie hat ihn immer gestört, und sie hat ihrerseits nie irgendein Interesse an ihm oder an seiner Familie gezeigt, seine Söhne sind ihr lästig, es ist, als würden sie und ihre Eltern eine geschlossene, hochmütige Einheit bilden, als würden sie niemanden brauchen, vor allem nicht ihn.
    Manchmal hätte er gern zu ihr gesagt, he, ich bin der einzige Onkel, den du hast, nein, eigentlich nicht zu ihr, sondern zu ihrer Mutter, ich bin der einzige Bruder, den du hast, warum entziehst du dich mir, was habe ich dir getan, dass du so wütend auf mich bist, aber wer hat schon genug Kraft für Gefühlsduseleien, und es kommt ihm ohnehin so vor, als sei alles, schon bis zum Überdruss gesagt, in der Mitte des Lebens findet man keine neuen Worte, und immer hat man Wichtigeres zu tun, zum Beispiel jetzt vor seinem Haus anzuhalten und seinen Kindern ein beträchtliches Stück seiner Zeit zu widmen. Der Rollladen an der Balkontür ist zwar heruntergelassen, trotzdem meint er, den Kleinen weinen zu hören, und er weiß, dass er den Motor ausmachen und sofort hinaufgehen sollte, aber sein Auftrag ist noch nicht erfüllt, vielleicht wird es am heutigen Abend passieren, und seine Anwesenheit würde ihnen im Moment sowieso nichts nützen, wenn er mit den Gedanken bei etwas anderem, Wichtigerem ist. Er möchte ruhig vor ihnen erscheinen, er möchte seine Freude an ihnen haben und sie sollen ihre Freude an ihm haben, er möchte sie mit seinem Erscheinen nicht enttäuschen, besonders Tomer nicht, der ihm Blicke voller Groll und Verlangen zuwirft, sodass er den Wunsch hat, sofort wieder wegzugehen.
    Es gibt Menschen, die voller Freude nach Hause kommen, denkt er erstaunt, als falle ihm diese Möglichkeit zum ersten Mal ein, er versucht, seine Freunde und Bekannten danach einzusortieren, bleibt einen Moment an seiner Frau hängen, zu welcher Gruppe gehört Schlomit? Bei ihr lässt es sich schwer zwischen Pflicht und Liebe unterscheiden, zwischen Konkurrenz und Bevorzugung. Manchmal glaubt er, ihr einziger Antrieb sei, ihm ihre Überlegenheit zu beweisen, auch wenn ihr Sieg schon sicher ist, lässt sie nicht locker. Wieder hört er Jotam weinen, wer weiß, was Tomer ihm diesmal angetan hat, denn trotz des Altersunterschieds zwischen ihnen, fast zehn Jahre, wird er von einer Eifersucht aufgefressen, die von Tag zu Tag zunimmt. Ja, er wird gleich das Auto verlassen, hinaufgehen und den weinenden Kleinen in den Arm nehmen, er wird seine verschwitzten Locken streicheln, Papa, Papa, wird der Kleine ihm ins Ohr schreien, und er wird verwundert reagieren, Papa? Es fällt ihm so schwer, sich selbst als Vater eines Kleinkinds zu sehen. Die plötzliche Schwangerschaft und das wundersame Baby, das er gezeugt hat, scheinen so gar nichts mit ihm zu tun zu haben, und in gewisser Weise auch nicht mit Schlomit, die älter aussieht, als sie ist, und wenn sie neben jüngeren Müttern den Kinderwagen schiebt, sieht sie fast aus wie deren Mutter, deshalb hat er das Gefühl, es handle sich nicht um eine konventionelle Elternschaft, sondern eher um die Aufgabe, den Kleinen zu hüten, den man ihnen anvertraut hat, dieser Junge, der zu spät geboren wurde, doch zu seinem Glück bemerkt er das nicht, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, sich der Befriedigung seiner Bedürfnisse zu widmen.
    Das Fest ist vorüber, Junge, nicht dass es besonders gelungen gewesen wäre, jetzt sammelt man das Einweggeschirr ein, wirft die Essensreste in den Mülleimer, stapelt die Stühle zu hohen Türmen, und es liegt nicht in deiner Macht, Junge, das Geschehene zurückzuholen. Die Gäste sind bereits gegangen, die Getränke getrunken, die kurze Freude hat sich sowieso aufgelöst, es ist nicht viel geblieben, glaub mir, dir zuliebe verstellen wir uns noch, aber irgendwann, und das wird nicht mehr lange dauern, schließlich bist du ein schlaues Kerlchen, wirst du es selbst merken, und dann?
    Er seufzt, was wird dann passieren, er macht den Motor aus und legt die Stirn aufs Lenkrad, nichts wird passieren, er hat längst aufgehört, an besondere Ereignisse zu glauben, vermutlich geschehen sie irgendwo, allerdings nicht bei ihm, bei ihm handelt es sich um mäßige Höhen und mäßige Tiefen, nicht um

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