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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Fluss kleben, das Jammern der Welse, die auf dem Seeboden herumschwimmen und kleinen Fischen auflauern, die blendenden Farben vieler männlicher Fische zur Paarungszeit, das Grunzen der Wildschweine und den Rauchgeruch, der plötzlich aus der Erde aufsteigt, den Anblick der Wellen, die im Wind brechen und Gischt tragen, die Schönheit der Wolken über dem Hermon, die nahen Regen voraussagen, und das Erstaunen der Kraniche, die im Herbst zurückkommen und den See nicht mehr finden, ein so schweres Gewicht liegt auf dem ersten und einzigen Wort, dass es unter der Last versinkt wie die Eisenbarren, die man nach dem Trockenlegen auf dem Boden des Sees finden wird, und plötzlich kommt es ihr vor, als könne sie es vielleicht jetzt probieren, ein letzter Versuch, um nicht zu sagen ein erster, ein Versuch ohne Worte, nur das Anschmiegen des Körpers an ihr Heft, so fest, bis es unter ihre Haut dringt, sich vollsaugt mit ihrer Milch und ihrem Blut. Ist das nicht ihre heilige Pflicht, zu bezeugen, solange es noch möglich ist, als einzige Überlebende der Katastrophe, und sie winkt ihrer Schwiegertochter zu, die plötzlich weit entfernt zu sein scheint, das Heft, schreit sie, bringt mir mein Heft, aber Schlomit entfernt sich immer weiter, sie ist nur noch ein winziger Punkt an der Küste, neben den Lichtern des Kibbuz, die weniger werden, denn ein Sturm kommt auf, Ostwind schaukelt das Boot, gelbe Wasserlilien schwanken hin und her, als blase ihnen der Wind Leben ein, ihre Blätter breiten sich herzförmig auf dem Wasser aus, Tausende grüner Herzen, und das Schilfdickicht zittert.
    Alle Kinder lagen in der stürmischen Nacht schon im Bett, und auch sie war sehr müde, als ihr Vater kam, um sie mit aufs Boot zu nehmen. In solch einer Nacht fischen, Papa? Es ist so kalt und es regnet, aber er schrie sie an, hör auf, dich so anzustellen, Chemda, braucht man denn im Winter nichts zu essen? Er wickelte ihren kleinen Körper in einen Regenmantel, wie ihn die Fischer trugen, und zerrte sie hinter sich her. Vier Männer waren im Boot, am Ruder und am Netz, und sie war ein Spatz, nass bis auf die Knochen, der Wind blies ihr in die Ohren, als sie die Netze im pechschwarzen Wasser auslegten und die Korken in langer Reihe die Stellen anzeigten. Du bist noch nicht dran mit schlafen, schimpfte ihr Vater, der Bootsführer, einen der Fischer, der am Ruder döste, komm, Chemda, wechsle Josef ab, aber wie schwer war das Rudern, manchmal saßen die Männer zu zweit an einem Ruder, und sie war allein, trotz der Kälte lief ihr vor Anstrengung der Schweiß über das Gesicht, der Regen klatschte gegen ihren Mantel, unter dem sie zitterte.
    Nun waren die Lichter des Kibbuz endgültig verschwunden, violette Blitze, spitz wie Disteln, stachen den Hermon, der Regen nahm zu, ließ den See aufschäumen, in der Ferne schrien Nachtvögel, und sie beugte sich über den Bootsrand und flüsterte, flieht, Buntbarsche, flieht, Welse, obwohl sie wusste, dass nur ein mit einem bunten Fischschwarm gefülltes Netz ein Lächeln auf das Gesicht ihres Vaters bringen würde, und dann wird die letzte Nachtwache vielleicht auch zur Mole zurückkehren, singend »zum Aufbau Galiläas, zum Aufbau Galiläas«, man wird befriedigt die Netze leeren, im Speisesaal sitzen und auf den gebratenen Fisch warten, sie wird ein Marmeladenbrot bekommen und zur Schule rennen, nass und müde und nach Fisch riechend.
    Doch nur von einer dieser Nächte will sie jetzt ihrem Heft erzählen, von dem leeren Gasbehälter, der zur Glocke umfunktioniert worden war, indem man den Boden entfernt hatte, und in dem ein Metallstab als Schwengel diente, mit dieser Glocke informierte man die Fischer über nächtliche Vorkommnisse, vor allem über Geburten, und in jener Nacht hatte die Glocke Josef mit lautem Klingeln die Geburt seines ersten Sohnes mitgeteilt, und Josef flehte darum, zurückzukehren, damit er seine Frau sehen könne, aber der Vater hatte es ihm entschieden verweigert. Man hört nicht mitten in der Schicht auf zu fischen, hatte er Josef angeschrien, du kannst sie morgen früh sehen, unsere Genossen warten auf unsere Fische, und Josef gehorchte ihm, presste die Lippen zusammen, er war ein beherrschter und verantwortungsbewusster Mann, einer der Gründer des Kibbuz, aber ausgerechnet in jener Nacht wichen ihnen die Fische aus und die Netze, die sie aus dem Wasser zogen, waren so leer, wie sie sie ausgeworfen hatten.
    Das Fischen ist ein Rätsel, sagte ihr Vater, während die Glocke

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