Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
erkennen.
Ich war sehr unsicher als ich antwortete. „Das kann ich gut verstehen.“
„Du hast dir aber auch einen wunderschönen Platz ausgesucht“, sagte er und schien mich damit beruhigen zu wollen. Das gelang ihm auch. Ich hatte mich wieder gefangen.
„Nicht wahr? Der Sonnenuntergang war wirklich magisch.“
„Sonnenuntergänge haben etwas an sich“, erwiderte er. „Sie machen uns die Vergänglichkeit auf wundervolle Weise bewusst und verbinden den Tag mit der Nacht.“
Ich überlegte eine Weile. „Ich mag den Sonnenaufgang lieber.“
„Optimistin?“ Er klang amüsiert.
„Ich fange gerne von vorne an, wenn du das meinst.“
Er lachte kaum vernehmbar. „Weißt du, was ich am liebsten mag? Mir gefällt am besten der Nebel.“
„Der Nebel?“
„Der Nebel ist gnädig, er deckt alles zu. Man muss sich selbst vorstellen, was in ihm verborgen ist.“ Er schien nach Worten zu suchen. „Es kommt auf einen selbst an, ob man einen unermesslichen Schatz oder ein Monster in ihm findet.“
Das mit dem Monster konnte ich nachvollziehen „Ich kann den Nebel nicht ausstehen“, sagte ich. „Wenn ich ehrlich bin, macht er mir Angst.“
Meine Antwort hörte sich selbst für mich lächerlich an, denn niemand außer mir wusste etwas von meinen Träumen, aber er nahm mich vollkommen ernst. „Meiner Mutter ging es ähnlich. Sie hatte anfänglich fürchterliche Angst vor dem Nebel.“
„Sie hatte als Kind Angst vor dem Nebel?“
„Nicht als Kind, als junge Frau. Als sie meinen Vater heiratete. Du musst wissen, wir stammen aus Lago d‘ Arto in Italien. Fast jede Nacht steigt vom See der Nebel auf und bewegt sich durch die Weinfelder bis zu unserem Haus.“
„Wie furchtbar!“ Ich staunte über mich selbst, wie allein die Vorstellung von einem derartig banalen Vorgang mich aufregen konnte.
„Genau das sagte meine Mutter auch. Bis ihr mein Vater erzählte, was es mit dem Nebel für eine Bewandtnis hatte.“
Er hatte meine volle Aufmerksamkeit. „Und danach fürchtete sie sich nicht mehr?“
„Ich kann nicht sagen, dass sie anfing, den Nebel zu lieben.“ Er lachte wieder, diesmal leicht verlegen. „Aber ich glaube, sie verstand ihn dann ein bisschen besser.“
„Was hat ihr denn dein Vater erzählt?“
„Eine alte Sage aus unserer Gegend. Sie ist ziemlich lang.“
„Im Moment habe ich nichts Besseres zu tun.“
„Also gut. Ich erzähle dir gerne die Geschichte, aber nimm meine Jacke, du scheinst zu frieren.“
Er zog seine Lederjacke aus und legte sie mir über die Schultern. Sie war warm von seinem Körper und ich spürte ein weiches, seidiges Futter auf meiner Haut. Augenblicklich entspannte ich mich.
Ich sah zu ihm auf, konnte ihn aber weiterhin nur undeutlich wahrnehmen.
Er räusperte sich und fing an zu erzählen. „Ein junger Adliger, namens Arturo, lebte in einem Schloss gleich oberhalb des Ortes Lago d’Arto. Eines Abends kam er von der Jagd zurück und tränkte sein erschöpftes Pferd am Ufer des Sees. Es war ein wunderschöner Abend, die Sonne ging gerade unter und er war erschöpft von den Anstrengungen des Tages. Auch er war durstig, deshalb kniete er sich kurzerhand neben sein Pferd, schöpfte mit seinen Händen Wasser und trank ebenfalls.
Da sah er ganz in der Nähe eine Spiegelung. Neugierig beugte er sich vor und erblickte eine Wassernixe, die aus einer Untiefe zu ihm emporschaute. Sie war wunderschön, hatte rotes langes Haar, das um sie herum in den Wogen schwebte und ihre Augen waren so grün, wie das Wasser des Sees. Er sah sie nur ein einziges Mal und wusste, dass er sie für immer lieben würde. Es gab kein Entrinnen mehr, er hatte sein Herz an sie verloren.
Sie sagte, ihr Name seiNichesa. Und ihr ginge es genauso wie ihm. Bei all den Wundern, die ihr täglich in ihrer Zauberwelt unter Wasser begegneten, habe sie niemals ein vollkommeneres Wesen als ihn gesehen. Auch sie war ihm vom ersten Augenblick an verfallen.
Von nun an kam er jeden Abend zu ihr. Anfänglich genügte es ihnen, sich einfach zu treffen und sich in der Seele des anderen zu spiegeln…“ Er machte eine Pause und schien ein wenig nachzudenken.
„Aber sie konnten nicht zusammenkommen“, fuhr er fort, „denn sie lebte im Wasser und er an Land. Um mit ihm zusammen zu sein – wie das Liebende einfach wollen – fasste sie schließlich einen folgenschweren Entschluss: Sie gab für ihn ihr Nixendasein auf und kam eines Abends an Land. Er war überglücklich und trug sie auf seinen Händen
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