Für ein Lied und hundert Lieder
wollte, bin ich ihm nicht im Weg. Aber seit ich vom Gericht zurück bin und man mich an diese Fesseln geschmiedet hat, haben sich meine Vorstellungen geändert.«
»Wie geändert?«, fragte ich nach.
»Das kann ich jetzt nicht sagen, mein Kopf ist entsetzlich leer, ich will an irgendetwas festhalten. Ich fing auf einmal an, an die Dinge nach dem Tod zu glauben, dass einen jemand auf dem Weg zur gelben Quelle begleitet, dass man nicht allein ist. Und da habe ich Berufung eingelegt, und der alte Zhang wurde von Todesstrafe mit Bewährung auf Todesstrafe angehoben.«
»Dein Wunsch ist doch in Erfüllung gegangen, und trotzdem ist dein Kopf ganz leer?«
»Etwas ruhiger vielleicht, trotzdem, dieses Warten auf den Tod dauert zu lange.«
»Und deshalb willst du Landkarten lesen, um Glanz und Gloria der Vergangenheit aufzuwärmen?«
Ich lachte und hielt mich für besonders schlau.
»Um mich darauf vorzubereiten, mich in ein Gespenst zu verwandeln«, der Tote Chen redete wie im Traum, »im Leben habe ich mich verirrt, nach dem Tod will ich mich nicht noch einmal verirren, an ein paar Orte werde ich in den ein, zwei Jahren noch gehen können, vielleicht werde ich dich noch einmal treffen.«
Meine Hände und Beine verkrampften sich unwillkürlich.
»Was hast du denn?«
Der Tote Chen setzte eine ernste Miene auf, aber ich konnte deutlich sehen, dass sich von der Kerbe in seiner Stirn ein um das andere kalte Lachen löste.
Obwohl der Tote Chen Fußfesseln hinter sich herschleppte und Handschellen trug, waren seine Bewegungen doch erstaunlich gewandt; wenn er für mich arbeitete, hatte ich erst wieder die Kraft, an meine eigenen Sorgen zu denken. Ich hatte mich schon lange nicht mehr mit meinen Sorgen beschäftigt, ich saß stumpfsinnig im Knast, ich wusste auch nicht, ob sie zu Hause Tang Xiaodu und Sun Jingxuan gebeten hatten, für mich als literarische Anwälte aufzutreten. Ich hatte bereits drei Briefe geschrieben, die ich mit einer Vollmacht weggeschickt hatte. Da es sich um einen literarischen Fall handelte, musste man natürlich auch literarische Anwälte haben!
»Obwohl eine Verteidigung keine Wirkung zeigen wird, ist es doch ermutigend, wenn man einen Freund hat, der vor Gericht für einen spricht«, sagte ich zu mir selbst.
Der Vorsitzende Chen hob den Kopf und schielte zu mir herüber: »Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte er, »meine Berufung ist jetzt schon über ein halbes Jahr her, ich schätze, ich sollte bald das Resultat sehen.«
»Ich habe gehört, euer Anwalt hat sich mit dem Richter ein Wortgefecht geliefert, es soll nicht viel gefehlt haben und er hätte ihn des Saales verwiesen?«, ergriff der Tote Chen das Wort.
»Stimmt, wir haben nur strenge Akademiker beauftragt. Die haben Nerven aus Stahl, sie haben etwas für die Studentenrevolte übrig, sie wollen unbedingt die Klauseln des Gesetzes auseinandernehmen, der Richter war außer sich«, sagte der Vorsitzende Chen zufrieden, »der Anwalt sagte, unsere sogenannte Gruppierung sei, was die Namen, die Führer und die Schlagworte angeht, komplett von einer Wandzeitung an der Straße abgeschrieben und dann der Reihe nach verlesen worden, um zu beweisen, dass wir zur verblendeten Arbeiterschicht gehörten.«
»Was hat es für einen Sinn, wenn solche Bücherwürmer mit dem Richter herumdebattieren?«, sagte der Tote Chen voller Verachtung, »es weiß doch jeder, dass die Arbeit von Anwälten außerhalb des Gerichts geschieht.«
»Richtig«, dachte ich bei mir, »vielleicht haben die zu Hause ja recht, nach dem, was A Xia in ihren Briefen schrieb, war Sun ein erfahrener Anwalt, seine Mittel und Wege waren unberechenbar, und da war noch ein Gerichtspräsident a.D. auf Provinzebene, mit dem mein älterer Bruder Damao in Verbindung getreten war – er hatte ihn dreimal aufgesucht, bevor er Sun überredete, sich der Sache anzunehmen. Aber ich mache mir immer noch Sorgen, ob er ehrlich in der Lage sein würde, in einem politischen Fall viel auszurichten?«
»Ich habe kein Vertrauen zu Anwälten, die krumme Wege gehen«, argumentierte der Vorsitzende Chen mit erhobener Stimme, »ich habe auch nicht genug Geld, um es aus dem Fenster zu werfen. Was ist denn an Bücherwürmern falsch? Werden die durchtriebenen Anwälte von der Ersten Anwaltsschule aus Gerechtigkeitssinn hervortreten für einen und die Unschuldigen verteidigen?«
Ich bebte am ganzen Körper: »Das wäre ja zu schön, wer wagt es denn heute noch, im Zusammenhang mit dem 4. Juni
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