Für ein Lied und hundert Lieder
auf unschuldig zu plädieren! Leider werde ich solchen Anwälten nie begegnen, Damao setzt zu sehr auf amtliche Kreise.«
»Wir werden sehen, auf alle Fälle werden sie bei dem ursprünglichen Urteil bleiben«, sagte der Tote Chen mit strenger Miene, »einen Richter sollte man nicht gegen sich aufbringen.«
»Und wenn man den Richter und den Staatsanwalt gegen sich aufbringt«, fügte der Vorsitzende Chen hinzu, »muss man, wenn man angeklagt ist und Berufung einlegt, dem Staatsanwalt aus dem Weg gehen, denn der hat uns in der Anklageschrift gedemütigt und zu Tieren gemacht – da war von ›wildem Gebell‹ und ›Geheul‹ die Rede.«
»Als ob das etwas Neues wäre, verdammte Scheiße«, mischte der Kleine Schwarze Teufel sich ein, »in meiner Urteilsschrift gibt es auch solche Ausbrüche, aber nur ein Intellektueller hängt sich so an einzelnen Formulierungen auf.«
»Das Gesetz besteht nur aus einzelnen Formulierungen«, ich musste ihm widersprechen, »sonst ist es nicht klar und nicht Kloßbrühe.«
»Wer Schulden hat, muss sie zurückbezahlen, wer einen umbringt, zahlt mit seinem Leben dafür, was gibt es da nicht zu verstehen?« Der Kleine Schwarze Teufel wandte plötzlich sein Gesicht ab, sprang scheppernd vom Kang herunter, schob seinen Papierkarton neben das Eisengitter und arbeitete dort weiter.
»Unser Fall ist längst nach Beijing weitergemeldet worden, hat der Anwalt durchsickern lassen, vielleicht gibt es noch Hoffnung auf eine Änderung des Urteils«, verkündete der Vorsitzende Chen und machte dabei nach jedem Wort eine Pause.
Aus den Einbuchtungen rechts und links an der Stirn des Toten Chen trat ein seltsamer Rauch aus, er ließ die Arbeit, die er in Händen hatte, fallen, schaute in die Runde und sagte, ebenfalls jedes einzelne Wort betonend: »Die Strafen hier in der Zelle habe ich alle vorausgesagt, die Richter beten mir einfach alles nach.«
Die Atmosphäre war auf einmal angespannt, die vier Toten hoben gemeinsam den Kopf und sahen den Vorsitzenden Chen und mich wütend an. Der Kerl spürte nicht, was die Glocke geschlagen hatte, und muffelte noch etwas vor sich hin, aber ich kniff ihn heimlich, um ihn zu stoppen.
Es raschelte unentwegt, als ob junge Seidenspinner über Maulbeerbaumblätter krabbeln, und dieses unentwegte Rascheln führte dazu, dass die Totenstille in der Zelle noch dichter wurde. Ich hatte das Gefühl, dass die Seidenspinner sich auch durch meine Knochen schlängelten.
»Früher oder später kommt es zu einer Explosion«, dachte ich schaudernd, »die Todeskandidaten sind jeder Einzelne für sich ein Pulverfass, bei der geringsten Unachtsamkeit geht es hoch. Wie der Kleine Schwarze Teufel, vor seiner Urteilsverkündung saß er immer vor dem Gitter und hat in sich zusammengerollt gelesen, wenig geschlafen und freiwillig um die ständige Wache während der Mittagsruhe gebeten. Er war optimistisch und offen und machte gute Miene zum bösen Spiel – wer hätte diesem kleinen Kerl zugetraut, dass er seine um einen Kopf größere Alte zu Hackfleisch verarbeitet hat?«
Seine Gerichtsverhandlung dauerte keine Stunde, schon war er in Ketten, und als er in die Zelle zurückgehüpft kam, war von seiner Bescheidenheit, die er vor der Änderung seines Strafmaßes an den Tag gelegt hatte, nichts mehr übrig. Er würdigte die anderen, die geringere Strafen hatten, nicht eines Blickes.
»Meine Alte hat mir mit Fleisch und Blut gezeigt, was ein Mann ist«, prahlte er. »Ich war ihr jederzeit zu Willen, bis sie fremdgegangen ist und sich mit mir angelegt hat. Ich habe ihr ein gutes Dutzend mal das Messer reingejagt, nicht einmal da hat sie um Gnade gebettelt, da habe ich es ihr mit einem Lampenkabel gegeben und mit einem Seil. Sie hat die Augen verdreht, aber keinen Ton von sich gegeben, ich war so außer mir, meine Handflächen brannten, und ich hatte kein Gefühl mehr. Ich kapituliere vor ihr, ich habe sie vor dem Gericht gerühmt, sie war wirklich eine gute Frau, ich bin erst erwachsen geworden, als ich sie umgebracht hatte. Jetzt will ich ein ehrenhaftes und achtbares Leben führen.«
»Im Nu wird aus einem Lei Feng ein Mörder«, seufzte der Vorsitzende Chen heimlich. Er starrte, ohne den Kopf zu bewegen, nach oben in den Fernseher. Ich saß Schulter an Schulter neben ihm, hob die Hand und schaute durch die offene Faust wie durch ein Fernglas. Oben brachten sie gerade die Seifenoper »Brennende Sehnsucht«: Die weibliche Hauptrolle, eine gute Ehefrau und Mutter,
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