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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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beiden, kaum dass sie im Haus waren, zur Sache, ich habe mich wie ein Partisan auf allen vieren zurückgezogen, ich war der Gefahr entronnen, und hinter mir die waren noch am Gurren.«
    Der Kleine Tote sagte mitleidig: »Wenn man muss, kann man nicht, und das Leben eines Diebes ist ein saures Brot.«
    »099 ist Schriftsteller, er kann doch über jeden von euch ein Buch schreiben«, schlug der Tote Chen vor.
    »Er ist Dichter, der kann nur einfache Verse«, sagte der Kleine Schwarze Teufel, ohne herzusehen, »im Buch für die Mittelstufe stand ein Gedicht von He Jingzhi: ›Im Traum so oft zurückgekehrt nach Yan’an, mit beiden Händen festgehalten den Pagodenberg.‹ Was gibt es am Pagodenberg festzuhalten? Wenn du was festhalten willst, dann schnapp dir eine dralle Frau.«
    »Ich mache das erste Gedicht«, sagte der Kleine Tote mit schriller Stimme und deklamierte: »Mutter Tiger lässt kräftig einen ziehn, es schluckt der Schwarze Teufel ihn!«
    Die ganze Bande fing schallend an zu lachen. Der Kleine Schwarze Teufel schnellte herüber wie ein Fisch, der Kleine Tote drehte sich um und machte sich davon, die beiden lebenden Toten führten einen rasselnden Fesselrundtanz auf. Der Kleine Tote versteckte sich hinter dem Toten Chen und zog ihn weiter auf: »Die Tigermutter leert die Blase gut, es leckt der Kleine ihr die Fut!«
    Wir hielten uns den Bauch vor Lachen, und uns fiel das Essen aus dem Gesicht, als auf einmal zwei Wachsoldaten über unserem Scheitel auftauchten.
    »Jin Tong!«, kam von draußen ein Ruf. Der Kleine Schwarze Teufel erstarrte, stand instinktiv stramm und antwortete: »Hier!« Dann packte er seine Koffer, sprang vom Kang und stürmte freudestrahlend nach draußen. Das Eisengitter ging kreischend auf, und als der zweite Ruf kam, war sein kleiner schmächtiger Schatten blitzschnell verschwunden.
    Der Tote Chen, der schon lange in vorderster Linie kämpfte, kam als Erster wieder zu sich und rief: »Schwarzer Teufel, tausch mit mir meine neuen Schuhe!«
    Sofort zog er sich die eigenen Schuhe von den Füßen und lief ihm nach, aber es war zu spät. Ohne nachzudenken, warf er seine Schuhe durch das Gitter herein, doch einer prallte von der sich dröhnend schließenden Gefängnistür ab.
    Der Tote Chen saß in der Falle, barfuß, es schien, als sei er ein paar tausend Jahre lang durch die Wechselfälle des Lebens gegangen. Bis zum Abendessen saß er, den einen Schuh in der Hand, gelangweilt da und dachte an seine Sorgen: »Kein Glück und keine neuen Schuhe, wie bitter für einen Dieb. Wie weit willst du in deinen zerrissenen Schlappen wandern, bis du zur Gelben Quelle kommst?«
    »Ich habe gehört, dass man, wenn man erst einmal ein Geist ist, springen kann«, vermutete der Kleine Tote naiv, »vielleicht reicht dann ein Schuh?«
     
    Abends waren alle Gefangenen traurig, als hätten sie ihre Eltern verloren, ganz gegen die Regel hob keiner den Kopf, um »Brennende Sehnsucht« zu sehen. Der Tote Chen sagte: »Verdammt, das ist, als würde man träumen, letzte Nacht waren wir noch vier, heute sind nur noch drei übrig, und wer weiß, vielleicht sind es morgen Abend nur noch zwei. Wenn ihr etwas zu sagen habt, schreibt es jetzt auf, macht es nicht wie der Schwarze Teufel und zieht einfach Leine, wenn es so weit ist!«
    Der Kleine Tote sagte keinen Ton, der Blasse Magister sprach für ihn: »Wir beide sind Junggesellen, wir haben nichts, haben kein Testament hinterlassen.«
    »Wollt ihr einfach so mir nichts, dir nichts abhauen, als ob nichts sei?«
    »Natürlich«, sagte der Blasse Magister, »aber vielleicht schert sich das Schicksal ja auch nicht um uns.«
    »Wenn ich mich auf den Weg mache, werde ich mich singend von allen verabschieden, das steht einmal fest«, verkündete der Tote Chen heroisch, dann versuchte er zu singen: »Dich noch mal sehen möchte ich/Im Herzen nie vergess ich dich.«
    »Leider sind hier in der Zelle nur Männer«, bedauerte der Kleine Tote, »selbst die Moskitos und die Spinnen, alles Männer.«
    »Ganz gleich ob Männchen, Weibchen, die Ratte schließt ihr Nest und fühlt auch was dabei, geschweige denn der Mensch. Habe ich nicht recht, 099?«
    »Jaja«, gab ich ein paarmal zurück. Währenddessen war der Kleine Tote herangekommen, machte Kotau und bedankte sich bei dem »Großen Bruder Chen« für dessen Fürsorge. Der Vorsitzende zog ihn eilig hoch und schämte sich wegen seiner Engherzigkeit. Durch die Zelle zog für eine Weile eine herzerfrischende Brise.
    Ein guter

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