Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
Vom Netzwerk:
Verbrecher für eine Menschenwürde?«
    »Sie beschimpfen mich? Sind Sie ein Polizist der Guomindang oder der Kommunistischen Partei? Oder ein Polizist aus der Zeit der Zusammenarbeit beider Parteien?«
    »Ich soll Guomindang sein?« Regierung Yu stampfte mit den Füßen auf: »Warte nur, du …!«
    Ein paar Sekunden später ging die Knasttür auf: »099, rauskommen!«
    Die Meute reckte die Köpfe aus ihren Decken, ihre Gesichter waren vollkommen abgestumpft, aber ich, ganz blind in meiner Profilierungssucht, warf mich in die Brust, die törichte Haltung des gelassenen Märtyrers.
    Eine Bande Rotfelle schleifte mich in den großen Saal der Wachhabenden, Regierung Yu schrie nach Elektroknüppel, Huffessel und einer großen Rolle Seil.
    Ohne einen Widerspruch zu dulden, stieß der Elektroknüppel zu, als würden dichte Krallen einem Vogel die Flügel zerreißen, die hochfliegenden Illusionen verwandelten sich in einen Topf Suppe, der an die Jäger ausgeliehen wird. Als der Elektroknüppel mir unter die Achseln fuhr, machte ich einen unwillkürlichen Satz, wie ein Liliputaner im Zirkus. Ich riss das Maul auf wie ein Frosch und konnte es eine halbe Ewigkeit nicht mehr zumachen. Die Sterne waren leuchtende grüne Frösche, die nacheinander hereinsprangen, sich in Rotfelle und Polizisten verwandelten, und das Weltall hallte wider von ihrem quakenden Gelache. Meine schweißüberströmte Haut verließ stechend ihr Knochengerüst und stellte sich mir als Mauer in den Weg. Meine Nasenspitze stieß gegen gewaltige Poren, es fühlte sich an, als würden sie lachen, diese grenzenlosen, mit Wasserperlen verhangenen Mäuler! Ich, das war ein Speiserest, der von einer formlosen Zunge gedreht wurde, ich wollte nicht verschluckt und verdaut werden, ich streckte die Hand aus, was heißen sollte: »Nein!«
    Die Hände steckten in Rückenfesseln. Ich wand mich wie ein Löwe, schwitzte, bis ich mir dunkel bewusst wurde, dass ich auf den Knien und mit dem Gesicht auf dem Boden lag. Wieder und wieder machte ich den Hals steif, um den Kopf hochzubringen. Regierung Yu fühlte sich gebauchpinselt, ließ den Elektroknüppel sinken und richtete mich auf: »Ach, mein Junge, du musst nicht vor mir auf die Knie gehen!«
    Ich schnaubte: »Regierung Yu, zwischen uns ist keine Feindschaft.«
    »Ich weiß nichts von Feindschaft. Wenn der Junge nicht artig ist, ist es ein Fehler des Vaters, ich bin dein väterlicher Beamter.«
    Wieder hob ein kollektives quakendes Gelächter an, ich wäre am liebsten in einem Mauseloch verschwunden, ich hasste sie. Plötzlich barsten meine Schläfen, das Rauschen des Bluts, das Wummern des Herzens, mein Inneres war eine Baustelle, an der Tag und Nacht eine Ramme arbeitete. Instinktiv zog ich mich zurück, mein Körper war wie eine zur Seite gebogene Stahlfeder, ich zitterte und ging am Ende mit einem Schlag los und knallte mit dem Kopf gegen die zwei Meter entfernte Mauer.
    Ich habe in meinem Leben schon mehrfach Autounfälle beschrieben, das jähe Stoppen der Geschwindigkeit, das Abhacken der Sonne. Nach der Helligkeit der Überschallgeschwindigkeit kam schwarzes Blut. Danach war meine Kraft herabzustoßen nur noch gering, das Tor zur Hölle knarrte nur einmal in den Angeln. Der erste Selbstmord meines Lebens! Und wie schnell er gekommen war, wie eine blitzartige Eingebung; bevor ich zu mir kam, war alles vorbei.
    Wie niederschmetternd, ich habe nicht einmal das Bewusstsein verloren. Die Heldentat, unter Einsatz meines Lebens Widerstand zu leisten, geriet augenblicklich zur Posse, wie absurd. Der Gefängnisarzt eilte herbei und verband mich. Regierung Yu wandte sich verächtlich ab, Regierung Bai, das fette Schwein, spuckte unbarmherzig auf den Boden: »Selbstmorde? Habe ich schon viele gesehen.«
    Die Rotfelle trieben Unfug: »Führt sich denn so ein Politischer auf? Da verliert man doch das Gesicht.«
    Ich ärgerte mich schwarz: »Wenn ich mich so aufführe, dann bringe ich es auch zu Ende.«
    Wieder traten mich die Rotfelle zu Boden und langten eine Weile reichlich hin. Regierung Yu hockte sich langsam auf meinen Oberschenkel und zog mein Kinn hoch: »Du Scheißkerl, wenn du dich so vollpisst, wo ist denn da deine Menschenwürde? Was ist die denn wert, deine Menschenwürde, sagen wir, ein Pfund davon? Dich sollte man behandeln wie einen Strolch! Denk daran, das ist das Reich der Kommunistischen Partei, du kleine Laus wirst den großen Deckel nicht umdrehen, wenn sich einer aus Angst vor der Strafe umbringt, dann

Weitere Kostenlose Bücher